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Sylt steuert erneut auf eine vorläufige Haushaltsführung zu

Wieder kein Haushalt?

Haushaltsdefizit Foto: Adobe Stock

Sylt. (red) Wenige Monate vor dem Jahreswechsel ist klar: Die Gemeinde Sylt wird voraussichtlich auch 2026 ohne beschlossenen Haushalt ins neue Jahr starten. Die Verwaltung rechnet damit, dass der Entwurf für den neuen Gemeindehaushalt erst im März 2026 vorgelegt und beschlossen werden kann. Was für Außenstehende wie eine bürokratische Fußnote klingt, könnte sich erneut zu einer handfesten Regelungslücke mit politischer Sprengkraft entwickeln.

Der Doppelhaushalt für 2026 und 2027 kommt spät und dass diesmal mit Ansage. Die Gemeindeverwaltung erklärte gegenüber der Politik, dass die Haushaltsberatungen erst Ende Oktober 2025 starten werden. Zunächst erarbeiten die Budgetverantwortlichen der Fachbereiche ihre Bedarfe, die dann zentral durch den zuständigen Fachbereich 2 zusammengeführt werden. Ziel ist ein genehmigungsfreier Haushalt, der dann ohne Zustimmung der Kommunalaufsicht Gültigkeit erlangen kann.

Bevor der Haushalt entstehen kann, müssen jedoch grundlegende Vorarbeiten abgeschlossen werden: die Eröffnungsbilanz, der Jahresabschluss 2023, der im November mit den geforderten Änderungen eingebracht werden soll, sowie der Jahresabschluss 2024. Diese zusätzlichen Aufgaben führen dazu, dass sich die Haushaltsverabschiedung voraussichtlich bis März verzögert. Damit stellt sich schon jetzt die Frage, wie die Gemeinde Sylt zwischen Januar und März 2026 überhaupt handlungsfähig bleibt.

Wenn eine Gemeinde ohne beschlossenen Haushalt ins Jahr startet, greift in der Regel Paragraf 81 der Gemeindeordnung Schleswig-Holstein. Dieser Paragraph regelt die sogenannte vorläufige Haushaltsführung. In dieser Phase dürfen nur Ausgaben getätigt werden, die rechtlich verpflichtend sind oder für die Fortführung notwendiger Aufgaben als zwingend erforderlich gelten. Alles andere, wie neue Projekte, freiwillige Leistungen oder alle Arten von Investitionen, ist grundsätzlich nicht möglich.

Diese vorläufige Haushaltsführung war auf Sylt bereits in früheren Jahren Realität und ging mit spürbaren Einschränkungen einher. Investitionen wurden verzögert oder gestoppt, Zuschüsse an Vereine oder soziale Träger auf Eis gelegt, politisches Handeln war kaum noch möglich. Für viele Sylter hieß das: Stillstand statt Fortschritt. Die Gemeindeverwaltung versucht dennoch, die Sorge zu dämpfen und verweist auf Unterschiede zur Vergangenheit. Bereits im Haushalt 2025 seien umfangreiche Investitionen beschlossen worden, deren Haushaltsreste und Verpflichtungsermächtigungen ins Jahr 2026 übertragen werden können. Auch viele freiwillige Leistungen, etwa Zuschüsse an soziale Einrichtungen, Sport, Kultur oder Vereine, seien inzwischen durch Verträge abgesichert. Dadurch dürften diese Ausgaben vermutlich auch ohne neuen Haushaltsbeschluss ausgezahlt werden.

Sollte das so eintreffen, wäre die Sparlogik des Paragrafen 81 diesmal deutlich abgeschwächt. Dennoch bleibt die strukturelle Schwäche bestehen:
Auch 2026 beginnt die Gemeinde Sylt ohne rechtskräftige, voll handlungsfähige Haushaltsplanung. Sobald neue Initiativen, Investitionen oder Stellenplanungen notwendig werden, fehlt die haushaltsrechtliche Grundlage. Für einen besseren Überblick über die aktuelle Lage präsentierte die Verwaltung im Finanzausschuss kürzlich einen grafisch unterstützten Zwischenbericht zur Haushaltslage. Während die optische Aufbereitung auf Zustimmung stieß, wurde die Präsentation wegen fehlerhafter Bezugsgrößen kritisiert. Die Verwaltung erklärte dies mit technischen Problemen. Der Zwischenbericht befindet sich derzeit in Überarbeitung und soll dem Protokoll des Finanzausschusses nachgereicht werden. Eigentlich soll er künftig als Frühwarnsystem und Lagebild dienen, doch derzeit liefert er noch keine belastbare Grundlage. Damit bleibt der finanzpolitische Blindflug der Politik bestehen.

Auch für andere Gemeinden und Zweckverbände auf Sylt bleibt die Lage unklar. Dass Sylt haushaltspolitisch ins Stolpern gerät, kann Folgen für alle nach sich ziehen, die zum Beipiel auf Umlagenzahlungen angewiesen sind. Zweckverbände wie der Schulverband Sylt oder der Landschaftszweckverband sind auf regelmäßige Überweisungen der Mitgliedsgemeinden angewiesen, allen voran der Gemeinde Sylt als größter Akteur. Ohne beschlossenen Haushalt können zwar bestehende Verpflichtungen teilweise bedient werden aber neue Projekte und Entwicklungen geraten ins Stocken.

Kleinere Gemeinden wie Hörnum oder Kampen, die in vielen Aufgaben interkommunal mit Sylt verbunden sind, spüren jede Verzögerung. Wenn die Gemeinde Sylt als finanzstärkste Inselkommune nicht durchgängig handlungsfähig ist, geraten funktionierende Strukturen ins Wanken. Was bisher als selbstverständlich galt, wird plötzlich abhängig von haushaltstechnischen Zwischenschritten.

Hinzu kommt, dass sich die Probleme auf Sylt in ein landesweites Bild einfügen. Wie die Gemeindeverwaltung unter Verweis auf Berichte der Landesregierung und des Kreistages mitteilte, befinden sich zahlreiche Kommunen in Schleswig-Holstein in einer tiefen Finanzkrise. Der Kreistag sprach jüngst von flächendeckenden Haushaltsdefiziten und drohenden Haushaltssperren, etwa in Kiel oder im Kreis Herzogtum Lauenburg.

Die Ursachen liegen laut Städtetag in einem komplexen Mix aus sinkenden Steuereinnahmen infolge der wirtschaftlichen Stagnation und zugleich steigenden Sozialausgaben. Neue gesetzliche Ansprüche, etwa der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, verursachen zusätzliche Belastungen. Die kommunale Ebene sieht sich mit Anforderungen konfrontiert, ohne dass vom Land oder Bund eine ausreichende Gegenfinanzierung erfolgt. Der Städtetag kritisiert, dass die Kommunen ein Viertel der gesamtstaatlichen Aufgaben tragen aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen erhalten.

Trotz technischer Fortschritte bei der Haushaltssteuerung und vertraglicher Absicherung freiwilliger Leistungen bleibt der Umstand alarmierend, dass die Gemeinde Sylt erneut ohne verabschiedeten Haushalt ins neue Jahr geht. Für eine der wohlhabendsten Gemeinden im Norden droht sich das Provisorium zur Regel zu verfestigen. Der politische Handlungsspielraum wird eingeschränkt, obwohl die Zahlungsfähigkeit formal gesichert ist. Doch operative Liquidität ersetzt kein strategisches Gestalten.

Ein dritter Jahresbeginn in Folge ohne regulären Haushalt wäre mehr als ein verwaltungstechnisches Problem. Es wäre ein haushaltspolitisches Versäumnis mit potenziell weitreichenden Folgen für die ganze Insel. Ausgaben und Investitionen müssen nun stärker denn je auf den Prüfstand, Prioritäten sind zu setzen und Synergien konsequenter zu nutzen. Viele Projekte, die bislang als sicher galten, könnten unter diesen Bedingungen nicht mehr umsetzbar sein.




Geschrieben von: Redaktion / veröffentlicht am: 21.10.2025
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