Von der 2.Liga über den Bastianplatz-Roar in die Kreisklasse:
Sylter Fußball zwischen gestern und heute

Sylt. Die Sylter Fußballer erleben derzeit einen Höhenflug: Mit starken Leistungen kämpfen sie um Meisterschaften und stehen im Finale des Kreispokals. In unserer neuen Serie blicken wir auf die spannende Geschichte und die aktuelle Entwicklung des Insel-Fußballs – von den glanzvollen Tagen bis zum heutigen Aufschwung. Sich über den Sylter Fußball auszutauschen, bringt unweigerlich auch ganz viel Nostalgie und große Namen mit sich.
1929 fusionierte der 1. Sylter Fußballverein mit dem TSV Westerland. Mit dem Bau des Hindenburgdammes konnten die Inselkicker nun auch zu Auswärtsspielen fahren. 1952 schloss sich der FC Schwarz-Gelb Keitum ebenfalls dem TSV an, und fortan spielte das Team in der Bezirksklasse Nord.
In den 70er Jahren plärrten aus dem altehrwürdigen Sylt-Stadion die Boxen ihr unvermeidliches „Fußball ist unser Leben“ in den frischen Westwind – und der trug den Evergreen der deutschen Nationalmannschaft bis in die Innenstadt. Der Schützenplatz war vollgestellt mit Fahrzeugen, und an den beiden Kassenhäuschen wurde reichlich Eintritt kassiert. Der TSV Westerland hatte ein Heimspiel. Auf den Tribünen des Sylt-Stadions drängten sich Hunderte Zuschauer. Der Hauch des großen Fußballs wehte über den Platz, auf dem unter anderem Uwe Seeler zauberte. Es war die gute Stube des Inselfußballs, und nicht jeder durfte auf dem gepflegten Rasen kicken.
Die restlichen Teams spielten auf dem Grandplatz an der Bastianstraße, dessen Mischung aus gemahlenen Ziegeln und größeren Steinen so manche Narbe bei den Aktiven hinterließ. Trainer wie Heinz Mahnke, Sam Beese oder Hein Höppner sorgten dafür, dass der Jugendfußball auf der Insel Fahrt aufnahm. Bis in die dritte Liga schafften es die Inselkicker damals. Es gab allein beim TSV Westerland drei Herrenmannschaften, dazu den SC Norddörfer, Fortuna Rantum, TSV Morsum, Tinnum 66 – und selbst ganz im Norden wurde bei den Sportfreunden List gekickt.
Begonnen hatte der Höhenflug des Sylter Fußballs Mitte der 60er Jahre, als Dr. „Püten“ Kraatz nach dem Abstieg aus der Kreisliga einen Sponsorenpool um sich versammelte und Bundesligisten zu Testspielen auf die Insel holte. Mit den Einnahmen aus Spielen gegen Werder Bremen, Hertha BSC oder den HSV wurden Spieler aus ganz Schleswig-Holstein geholt. Schon bald hatte der TSV eine schlagkräftige Truppe zusammen. 1970 war das erfolgreichste Jahr für die Inselkicker. Aufstieg um Aufstieg und der Gewinn des SHFV-Pokals sorgten für Euphorie auf der Nordseeinsel.
Als Zweiter der Landesliga Schleswig-Holstein schaffte es die Mannschaft sogar in die Qualifikation zur 2. Liga. Ein historisches Ereignis ohne Happy End. Nur ein Sieg gegen den VfL Pinneberg sprang in den Spielen heraus. Doch es zeigte, wie stark der Sylter Fußball in diesen Tagen war.
Als im gleichen Jahr der Zweitligist FC Bremerhaven aus dem Pokal geworfen wurde, kannte der Jubel keine Grenzen mehr. Den Niedersachsen schmeckte der Grandplatz an der Bastianstraße gar nicht. Man kann sich das Tollhaus auf dem kleinen Sportplatz, auf dem jetzt Wohnhäuser stehen, kaum vorstellen. Arne Matthiesen, Präsident von Team Sylt, erinnert sich: „Ich habe einen Zeitungsartikel gesehen, auf dem der Bastianplatz-Roar erwähnt wird.“ Eine Reminiszenz an den „Anfield Roar“, für den der FC Liverpool bekannt geworden ist.
An der Bastianstraße versammelten sich 3.500 Zuschauer, um den entscheidenden Treffer von „Haschi“ Jannsen frenetisch zu bejubeln. Der Lohn war der Einzug in die Top 32 des DFB-Pokals. Und hier wartete Borussia Dortmund mit Stars wie Siggi Held, Willi Neuberger und Co. Das Spiel fand in Leck statt, denn das Sylt-Stadion war noch im Bau, und die Borussen protestierten vehement dagegen, auf dem engen und „für Profis gefährlichen“ Bastianplatz zu spielen. Das Sylter Team hatte vor 14.000 Zuschauern natürlich kaum eine Chance gegen die Dortmunder und verlor 0:4. Damals war die Schere zwischen erster und dritter Liga noch wesentlich größer.
Statt Geld gab es in der Regel Schinken und Bier für die Amateure – mit Ausnahme dieses DFB-Pokalspiels. Die Westerländer durften sich über 250 D-Mark Prämie freuen. Das entsprach dem halben Lohn eines Facharbeiters. Der TSV Westerland galt anschließend über ein Jahrzehnt als eines der besten Teams Schleswig-Holsteins. Durch die Umstrukturierung der Ligen wurde aus der Landesliga die vierte Liga, nun Verbandsliga genannt. Hier spielte der TSV Ende der 70er keine große Rolle mehr und stieg 1987 endgültig ab. In der neu aufgestellten fünftklassigen Landesliga wurde es für die mit Fußballern von der Insel besetzte Truppe schwer, denn das Team setzte sich nun aus jungen Syltern zusammen, die mit erfahrenen Verbandsligaspielern ergänzt wurden. Marc Valentin, Willy Maron und Eric Wedel hießen die Spieler. Mit Rainer Hanneken gab es sogar einen prominenten Neuzugang vom SV Meppen. Auch Ralf Möller oder Detlef
Andersen machten überregional von sich reden – und man munkelt über Angebote von höherklassigen Vereinen, die allesamt abgelehnt wurden. Die geburtenstarken Jahrgänge brachten Talente wie Jochen Warnemünde hervor, der sogar zur Jugendnationalmannschaft berufen wurde. Doch Anfang der 90er Jahre war keiner der alten Recken mehr aktiv. Es sollte nicht reichen, um in den höheren Klassen zu bleiben. Der Abstieg in die Bezirksliga 1991 war das Ende einer goldenen Generation. Im Jahre 2002 kam es dann zum Umbruch auf der Insel. Das Team Sylt wurde gegründet. In der nächsten Ausgabe des Sylter Spiegels beschäftigen wir uns mit dem FC Sylt, dem SC Norddörfer, Tinnum 66 und natürlich mit dem Team Sylt und seiner erfolgreichen Jugendarbeit.
Geschrieben von: Alex Lenz / veröffentlicht am: 07.05.2025