Madsen motiviert zum Miteinander :
„Sylt rockt?!“

Sylt. Als Wirtschafts- und Tourismusminister Claus Ruhe Madsen im Rahmen seiner Sommertour Sylt besuchte, hätte kaum jemand geahnt, dass ein einziges Wort eine so lebhafte Diskussion auslösen würde. Nach Gesprächen mit dem Verein Sylter Unternehmer und dem DEHOGA Sylt sowie Besuchen in Westerland und Hörnum, lobte der CDU-Politiker die „Magie“ der Insel, machte aber zugleich deutlich, dass gerade Westerland offensichtlich in Teilen „abgerockt“ wirke und dringend Investitionen brauche.
Die Einschätzung fand schnell ihren Widerhall. Während die Sylter Rundschau Madsen für seine Offenheit lobte, sprach ISTS-Geschäftsführer Peter Douven von „Nestbeschmutzung“ und einer „Verhöhnung von Gästen und Gastgebern in der Hochsaison“. Viele Unternehmer auf der Insel stellten sich demonstrativ hinter die Aussage des Ministers. Stimmen wie Ole König, Karl-Max Hellner und Sven Paulsen betonten, Madsen habe nur ausgesprochen, was die Sylter Gäste und Insulaner seit Jahren beobachten: Die Insel brauche Modernisierung, vor allem im Herzen Westerlands.
Seither ist die Debatte für die Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur neu entfacht, die Sylt seit langem begleitet: Wie lässt sich die Balance finden zwischen dem Anspruch auf Qualität und der Bewahrung von Authentizität, zwischen notwendiger Erneuerung und dem Wunsch nach Kontinuität?
Im Gespräch mit Frank Bremser für den Podcast „Sylter Journal“ präzisierte der Minister seine Worte. Für ihn sei „abgerockt“ nicht nur Kritik, sondern auch eine Aufforderung, die gewachsene Stärke der Insel in die Zukunft zu übertragen. Sylt habe die Chance, neue Attraktivität für Familien, Gäste und Einheimische gleichermaßen zu schaffen.
Der Sylter Spiegel dokumentiert das Interview exklusiv in voller Länge, ein Beitrag für einen notwendigen Austausch, der im Ergebnis nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft der Insel prägen wird.
Die Worte von Wirtschafts- und Tourismusminister Claus Ruhe Madsen sorgten auf Sylt für Diskussionen. Ende Juli hatte er bei seiner Sommertour erklärt, Westerland wirke in Teilen „abgerockt“ – und hat damit viel Zustimmung auf Sylt geerntet.
Während Peter Douven (GF ISTS) die Aussage als „nestbeschmutzend“ kritisierte, pflichteten viele Unternehmer dem Minister bei: Sylt brauche dringend Investitionen in die Innenstadt und die Promenade.
Im Gespräch mit Frank Bremser für den Podcast „Sylter Journal“ erklärt Madsen, was er mit „abgerockt“ wirklich meint – und wie er sich die Zukunft der Insel vorstellt.
Das Gespräch wurde in der neuen Folge am vergangenen Freitag um 18 Uhr ausgestrahlt. Nachzuhören überall, wo es Podcasts gibt.
Der Sylter Spiegel dokumentiert das Interview exklusiv in voller Länge:
Frank Bremser:
Herr Minister, Ihre Aussage über Sylt hat für Diskussionen gesorgt. Fühlen Sie sich falsch verstanden?
Claus Ruhe Madsen:
Ich weiß gar nicht, ob ich falsch verstanden worden bin. Eigentlich bin ich sehr froh, wenn ein bisschen Staub hier und da aufgewühlt wird. Man könnte sagen: Staub und „abgerockt“ passt vielleicht sogar ein bisschen zusammen.
Für mich ist entscheidend: Wir kommen alle mal auf Sylt an, steigen am Bahnhof aus und gucken uns um. Ist das das Bild, das wir von Sylt haben? Ich glaube nicht. Und wenn wir ein bisschen durch Westerland laufen, sehen wir die eine oder andere Ecke. Genau das meinte ich.
Sylt ist eine magische Insel, ein magischer Ort, es hat wirklich eine Zugkraft. Wenn man ankommt: gigantisch! Aber dann schaut man rechts und links und merkt: Die eine oder andere Investition ist nötig.
Wir müssen uns um unsere Gäste bemühen, aber natürlich auch um die Menschen, die hier leben.
Deshalb ist es wichtig, ehrlich in den Spiegel zu schauen und zu sagen: „Naja, Leute, es ist ein bisschen abgerockt.“ Abgerockt heißt aber auch: Wir haben gerockt und wir sollten auch zukünftig rocken.
Frank Bremser: Was bedeutet das konkret?
Claus Ruhe Madsen:
Wir müssen gemeinsam Wege suchen: Wie können wir Attraktivität schaffen für Familien, für junge Menschen? Was ist das Sylt von morgen? Das müssen wir gemeinsam entwickeln.
Wir dürfen nicht nur denken: Was ist das Sylt von gestern? Das ist nett, aber daran können wir nicht festhalten.
Frank Bremser:
Jeder von uns hat Kindheitserinnerungen. Man trägt sie später ins Familienleben hinein, sagt: „Ich war immer gerne in St. Peter-Ording, ich war immer gerne in Westerland, das muss ich euch zeigen, und da nehme ich meine Familie mit hin.“ Das schafft Traditionen. Und genau solche Traditionen müssen wir auf Sylt neu schaffen.
Claus Ruhe Madsen:
Ein Beispiel: Vielleicht war der eine oder andere mal im Legoland. Als ich jung war, war Legoland anders als heute. Aus gutem Grund, weil sich die Welt verändert.
Und genau das ist wichtig: Das Sylt von gestern ist das Sylt von gestern. Das Sylt von morgen müssen wir erst kreieren. Daher ist es richtig, Kinder mitzunehmen. Denn später sagen sie vielleicht: „Ich muss da nochmal hin, ich bringe meine Kinder mit.“ Das heißt, wir schaffen Traditionen. Traditionen, die dafür sorgen, dass die Menschen gerne nach Schleswig-Holstein kommen, gerne nach Sylt fahren, Spaß haben, Geld ausgeben aber auch gerne hier leben.
All das muss in Harmonie sein. Das heißt für mich: entwickeln. Und das heißt nicht, dass wir, ich sage es mal salopp, beim 70er-Jahre-Charme stehen bleiben. Das wäre sehr gefährlich. Das heißt aber auch nicht, dass alles wegmuss, was aus den 70ern stammt.
Es muss integriert werden, zusammen mit neuen Aspekten. Schauen wir nach Schleswig-Holstein: In St. Peter oder Grömitz sind Strandpromenaden heute Familienerlebnisse. In St. Peter Ording, da kann man zum Familienhaus laufen. Kinder haben Spaß, Familien fahren nach Hause mit einem tollen Erlebnis. Natürlich machen sie das auch, wenn sie auf Sylt waren. Aber meine Sorge ist: Wenn wir uns nicht weiterentwickeln, sagen sie eines Tages: „Na ja, war ganz nett da, aber nächstes Jahr müssen wir nicht nochmal hin.“ Und das darf natürlich nicht passieren.
Frank Bremser:
Das Land würde da auch unterstützend zur Seite stehen. Anträge müssen gestellt werden und die müssen dann auch kommen.
Claus Ruhe Madsen:
Natürlich müssen wir gemeinsam das Land Schleswig-Holstein miteinander entwickeln. Das soll auch Input sein, was kann man machen und ich finde es auch gut und richtig, wenn auch private Investoren, Unternehmerinnen und Unternehmer sagen, wir sind bereit, Euros in die Hand zu nehmen und ihren Beitrag leisten.
Ich weiß, dass es auf Sylt Unternehmer gibt, die Verschiedenes gemacht haben: Blumenkübel, Veranstaltungen, Engagement. All das zeigt: Wir müssen es gemeinsam erreichen.
Das Wichtigste ist die Debatte, der Dialog. Wir dürfen kein Tabuthema aufmachen und sagen: „Darüber reden wir lieber nicht – stell dir vor, das würde jemand hören.“ Genauso hoffen wir, dass es jemand hört! Nur so können wir jeden Tag miteinander besser werden.
Ich würde das gerne bildlich darstellen: Bayern München wird Deutscher Meister im Fußball. Aber die lehnen sich auch nicht zurück und sagen: „Wir brauchen nicht mehr trainieren, wir sind ja deutscher Meister.“ Die legen nach, die trainieren noch härter, weil sie Meister bleiben wollen.
Und genau so sollte sich auch Sylt verstehen.
Geschrieben von: Redaktion / veröffentlicht am: 02.09.2025