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Die Manfred Degen Kolumne

Knattermonster #13/2025

Foto: Archiv

Die Sylter Kneipenwirte und Unterschlupf-Besitzer stehen Spalier und überschlagen sich, als suche der Dalai Lama persönlich Sylt heim. „Willkommen, ihr Biker!“, jubeln die einen und andere kündigen eine „Summertime-Party mit chromblitzenden Maschinen“ an. Sylt ist mal wieder der Mittelpunkt der Welt. Wird es so aussehen, wenn irgendwann die Hells Angels das Kommando in Deutschland ganz übernehmen? Nein, mit Sicherheit nicht. Diese Biker sind ja alles harmlose Mitbürger, womöglich mit ‚ner kleinen charmanten Macke. Das sind seriöse Mittelständler, Rechtsanwälte, Handwerksmeister, Sonnenstudio-Betreiber oder Zahnärzte. Vielleicht zahlt der eine oder andere sogar Steuern.

Optisch sind diese Harley-Freaks allerdings kaum von kriminellen Rockerbanden zu unterscheiden, was von ihnen aber auch gewollt ist: Kopftuch oder Wehrmachtshelm, verspiegelte Sonnenbrillen, Ohrringe, Fransen und Kettengebimmel. Solch einen Auftritt kennen wir eigentlich nur von organisierten Schutzgeldeintreibern oder den Bossen des Hamburger Rotlichtmilieus.

Einmal schlenderte ich durch Keitum, meine Sinne freischwebend. Da hörte ich ein anschwellendes Geräusch, ein dumpf-bedrohliches Dröhnen, wie wenn Wagner in der Elbphilharmonie wonniglich wabert, es wuchs sich zum Donnern aus und dann bretterte ein Motorradschwarm unmittelbar an mir vorbei wie eine Sojus-Rakete auf dem Weg in den Orbit. Ich flog vor Schreck in die Rosen und dankte dem Herrn für diese Nahtoderfahrung.

Dass die Besitzer großmotoriger amerikanischer Krafträder oft schon etwas älter sind – viele sogar nahezu so alt wie ich – auf jeden Fall deutlich jenseits des Renteneintrittsalters – ist allerdings eine gesicherte Erkenntnis.
Und somit ist es verstehbar, dass jeder Harley-Konvoi von einer Blaulicht-Truppe agiler Rotkreuzhelfer begleitet wird – die dann an unübersichtlichen Kreuzungen helfend eingreifen, bei Unterzuckerungen schnell eine intravulgäre Brachialinfusion legen und auch schon mal den richtigen Gang einrütteln.

Das ist eine kluge Beobachtung, durchtränkt von Lebenswirklichkeit. Die Behauptung allerdings, dass – wenn die Sylter Harleyfahrer am Friedhof vorbei prötteln – die Würmer schon in Vorfreude mit der Zunge schnalzen, halte ich allerdings für übertrieben – ein klassischer Fall von Altersdiskriminierung.

Einmal stand ich vor so einer Maschine, die freundlich im Leerlauf vor sich hinröchelte. Da hörte ich auf einmal ein leises, aber durchgängiges Klingel- und Klappergeräusch. Ich wies den Eigner darauf hin und empfahl einen kurzfristigen Werkstattbesuch. Doch es stellte sich heraus, dass die Ursache für das zarte Geräusch das ausgeleierte künstliche Kniegelenk des Drivers war.

Aber dass die Geräuschemissionen einer Harley angenehmer sind als die eines Laubbläsers morgens um halb acht direkt unter dem Schlafzimmerfenster, das würde ich immer und überall unterschreiben.

Der Gehörgang ist ein ganz besonders wichtiger Kanal im Geknäuel des menschlichen Kopfes. Leider sind wir nicht mit der Fähigkeit ausgestattet worden, diese Schleuse bei Bedarf zu schließen, und zwar schalldicht! Weghören funktioniert nicht wirklich.
Und aus diesem Grunde ist nach einer Woche Bedröhnung das Geräusch nur noch zu ertragen, wenn die Horden endlich Richtung Autozug verschwinden.


Geschrieben von: Manfred Degen / veröffentlicht am: 12.06.2025
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