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Die Manfred Degen Kolumne

Die Schönen und Reichen #19/2025

Foto: Archiv

Früher war Sylt „die Insel der Schönen und der Reichen“. Wir waren herausragend, ein Leuchtturm zwischen all den Vetteln, Feisten und Fratzen im Rest der Republik. Die größten Literaten des Landes, an ihren Seiten oftmals die betörendsten Schauspielerinnen, trafen sich mit den brillantesten Journalisten, den wichtigsten Politikern und den wirkmächtigsten Industriellen im „Ziegenstall“ oder beim Karlchen in Kampen. Dort wurde verabredet, was kurz darauf in den Feuilletons des Landes erschien. Die „Bonner Republik“ war im Sommer die „Kampener Republik“!

Doch mittlerweile flanieren auch durch Hamburg-Eppendorf, Berlin-Kreuzberg oder München-Grünwald schöne und reiche Menschen. Auch sie haben ebenmäßige Gesichter mit schönen Augen und erstaunlich volle Lippen. Ja, es soll mittlerweile auch fern unserer Insel Menschen geben, die sowohl den allgemeinen Schönheitsidealen entsprechen, über alle Maßen klug sind und obszön viel Geld haben.

Für uns hier auf der Insel wird‘s langsam eng. Schau‘ dich doch mal um: Sylter und Gäste sind oft lässig und entspannt gekleidet, als würde man sich aus dem amazon‘schen Rücksendungs-Fundus bedienen. Statt Frisuren siehst du oft – wenn überhaupt – nur Haare. Na gut, das ist dem Wind geschuldet. Immer mehr findet die Nahrungsaufnahme im Gehen statt. Pommes mit Mayo, die immer auch mal auf das Trottoir klatscht. Ein Segen ist es, wenn dann eine Möwe einschwebt und Tabula rasa macht und dem Elend ein Ende bereitet. Body-Mass-Indizes, die stationär behandelt werden müssten, trollen sich über unsere Strände und Promenaden. Junge Männer, früher mit Athletik, Lässigkeit und Eleganz unterwegs im öffentlichen Raum, laufen jetzt herum wie Gangsta-Rapper auf Freigang, tätowiert wie Fußballspieler aus Absurdistan mit Frisuren wie Neo-Nazis.

Sind wir uns nun einig, dass wir das Label „Insel der Schönen und der Reichen“ zu Unrecht tragen, müssen wir uns um eine Alternative kümmern. In den Siebzigern machten wir Reklame mit dem Titel: „Sylt, in Deutschland ganz oben“. Ich finde: Ein Superspruch.
Unser Alleinstellungs-Anspruch wird klar durchformuliert, oben ist immer gut und der zarte Hinweis, dass wir Deutschland sind, impliziert bei dem potentiellen Gast, dass er CO2-günstig anreisen kann.
Genauso gut: „Sylt, die Königin der Nordsee“. Natürlich sind da die anderen Nordseeinsel-Kurdirektoren stinksauer drauf. Denen sagen wir dann kalt lächelnd: „Es ist, wie es ist“.
„Schleswig-Holstein – der richtige Norden“. Stimmt auch, allerdings impliziert der Begriff „Norden“ immer Kälte, Wind, Frösteln und quengelnde Kinder. Eignet sich zum Bewerben von Fischstäbchen, Langlaufskiern und Glühwein, aber nur bedingt für Strandurlaub.
Föhr hat alles richtig gemacht. Die nennen ihre Gegend einfach „Friesische Karibik“. Da ist alles drin: Wärme, Sonne, Stand-up-Paddling, Rumcocktails und alles preiswert. Weiterer Vorteil: Wenn die Fähre auf dem Weg von Dagebüll nach Föhr wegen Niedrigwassers mal für zwei Stunden am Rande der Fahrrinne liegenbleibt, kriegt keiner vor Wut ‘nen dicken Hals. Ein jeder freut sich ob des Abenteuers, von dem man dann zu Hause erzählen kann.

Nachtrag: Unlängst las ich auf Föhr den Spruch: „Über Föhr lacht die Sonne – über Sylt die ganze Welt“. Das war bitter, das tat weh…


Geschrieben von: Manfred Degen / veröffentlicht am: 31.07.2025
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