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Rückblick:

Als wir Sylter das Stand-Up-Paddeln erfanden

Foto: © Edgar Bullon

Insel Sylt. „Aus der Not eine Tugend machen“ – so lässt sich die Geschichte des Stand-Up-Paddlings am ehesten beschreiben. Es handelt sich dabei keineswegs um eine völlig neue Idee. Bereits vor rund 4000 Jahren dürften Menschen mit einem Paddel auf einem Stück Holz auf dem Meer umhergetrieben sein.
Ein Grund für das unglaubliche Wachstum des Sports lässt sich im Niedergang der Windsurfbranche finden. Bis in die neunziger Jahre war Windsurfen der Trendsport schlechthin. Beinahe jeder war gefühlt im Windsurfen aktiv und einige kauften sogar Board-Dummies, die nicht fahrbar waren, aber auf dem Autodach eine gute Figur machten.

Nichts bleibt für die Ewigkeit
Anfang der 2000er Jahre kam ein neuer Sport auf: Kitesurfen beraubte dem Windsurfen seine Popularität. Auf Sylt war bei den Windsurf-Worldcups Ende September noch der Zauber der 90er Jahre spürbar, als 200.000 Zuschauer diesen Sport jeden Herbst feierten. Doch die Verkaufszahlen der Windsurfer gingen zurück – sie waren zu teuer, zu aufwendig und schwer zu erlernen. Die gebeutelte Windsurfindustrie benötigte eine lukrative Geschäftsidee, um die Produktionsausfälle zu kompensieren. Also setzte man auf Stand-Up-Paddling.

Die Legende besagt, dass diese Boards in den 1950er Jahren bei den Surflehrern Kaliforniens beliebt waren, da sie ihre Schüler im Stehen besser im Blick hatten. Eine andere Theorie sieht den Ursprung auf Hawaii, wo ein älterer Surfer sich aufgrund von Knieproblemen nur noch stehend aufs Wasser wagte.

Unsere Legende besagt jedoch: Die Sylter haben es erfunden. Wer sonst? Da das Fischen mit Netzen im Watt schwierig war, wurde das „Schollenpieken“ zum notwendigen Übel. Auf einer Art Surfboard, mit einer Pieke als Paddel, wurde bereits vor 300 Jahren vor der Insel gefischt. Beide Theorien dürften jedoch hinken. Fakt ist, dass Robby Naish und sein Team den ersten World Cup in Deutschland organisierten. Vor rund 30.000 Zuschauern paddelten Spitzensportler wie die Sylterin Sonni Hönscheid, Leco Kalama oder Erik Terrien in Hamburg um das Preisgeld. Caspar Steinfath schlich sich in das Event, indem er angab, er sei 16 Jahre alt. Der 15-Jährige gewann bei den Amateuren und landete bei den Profis in den Top 10. Sonni Hönscheid, eine der Siegerinnen, holte später mehrfach den Weltmeistertitel im Stand-Up-Paddle-Racing.

So wurde Hamburg mehr oder weniger zur Geburtsstätte des professionellen Stand-Up-Paddlings. Laut einer empirischen Umfrage sollen 2014 in den Vereinigten Staaten etwa 21,4 Millionen Menschen auf dem SUP-Board unterwegs gewesen sein. Auch hierzulande boomte das Stehpaddeln an den Küsten und in den Binnengewässern. Die Boards, die während des World Cups 2009 genutzt wurden, wurden nach dem Event verkauft oder an Surfschulen in Deutschland geliefert. Das war der Startschuss für den Eintritt in den Mainstream-Markt. Der im darauffolgenden Jahr stattfindende World Cup, der ebenfalls in Hamburg ausgetragen wurde, war mit rund 25.000 Besuchern ebenfalls ein Erfolg und es dauerte nicht lange, bis überall auf der Welt Regatten und Events stattfanden. In Deutschland wurden seitdem jährlich die Deutschen Meisterschaften in verschiedenen Disziplinen ausgetragen. Dies geschah leider oft unter Ausschluss der breiten Öffentlichkeit, da es an Budget für die Bewerbung der Events mangelte und die Wettkämpfe nicht genügend Spannung erzeugten.

Was jedoch wirklich bemerkenswert ist, ist die Massenkompatibilität und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des Stand-Up-Paddlings. Ob gemütliches Hin- und Herpaddeln, Surfen auf Wellen oder Konditionstraining – beinahe jeder kann auf dem SUP-Board stehen. Es muss lediglich über ausreichend Volumen verfügen. Welches Volumen für die eigene Person das richtige ist? Eine Faustregel besagt: Eigengewicht plus 100 Kilogramm, zuzüglich 10 Prozent. Allerdings hängt dies stark vom individuellen Können ab. Und auch der Einsatzzweck des Boards spielt dabei eine Rolle.

Der große Ansturm begann mit dem Verkauf der ersten aufblasbaren Boards in Supermärkten. Schon bald fand man zwischen Aktionskaffee, Mehl und Schrauben auch SUP-Boards. Dies schadete der Branche zunächst, da viele Einsteiger die Möglichkeit des günstigen Einkaufs nutzten. Firmen verkauften ihre Produkte an Discounter oder Großmärkte. Mittlerweile gibt es zahlreiche Nachahmer, die Boards für 200 oder 300 Euro verkaufen. Wie in allen Bereichen gilt auch hier: Wer billig kauft, kauft doppelt – besonders bei aufblasbaren SUPs.
Auf Sylt bleiben die Hardboards die erste Wahl. Die Gründe dafür sind offensichtlich: Auf der Insel kann das Fahren mit einem aufblasbaren Board an der rauen Nordseeküste problematisch sein. „Inflatables“ lassen sich an windstillen Tagen an der Westseite nutzen. Bei starkem Ostwind sollte man jedoch nicht hinauspaddeln. Die Touren an der Ostseite sind mindestens genauso schön wie am Weststrand, aber die Tide sollte im Auge behalten werden.

Morgens, wenn der Strand noch ruhig ist, lässt sich an der Westküste am „Sunset Beach“ aufs Wasser gehen und Richtung Norden paddeln. Mit viel Glück trifft man auf Schweinswale. Alternativ kann auch früh morgens in Munkmarsch gestartet werden, um Richtung Keitum zu paddeln – der Sonnenaufgang ist dort ein Traum. Wellenreiten am Weststrand? Perfekt. Ein Miniswell gibt es dort immer. Durch die Stürme haben sich die Sandbänke verschoben. Welches Potenzial in den Bänken steckt, lässt sich nicht vorhersagen. Wenn zwei oder drei Tage harter West- oder Südwestwind geblasen hat und am nächsten Morgen der Wind auf Ost dreht, dann hat Sylt sein kleines Hawaii. Im Sommer sind solche Tage gar nicht so selten. Es sind genau solche Momente, die diese Insel lebenswert machen.


Geschrieben von: Redaktion / veröffentlicht am: 28.06.2025
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