Baurechtreihe: Die Debatte um „illegale“ Ferienwohnungen auf Sylt
Zwischen Recht und Realität

Sylt.(red) Wenn von „illegalen“ Ferienwohnungen die Rede ist, stellen sich viele darunter heimliche, absichtlich versteckte Unterkünfte vor, die bewusst an allen Vorschriften vorbeiwirtschaften. Doch diese Vorstellung ist irreführend. Ein treffenderer Ausdruck wäre vielmehr „baurechtlich nicht genehmigte Ferienwohnungen“ – ein Umstand, der sich in der aktuellen Baurechtskrise auf Sylt zu einem zentralen Konfliktthema entwickelt hat.
Das Fundament der Inselwirtschaft
Tatsächlich werden viele dieser Wohnungen seit Jahrzehnten ohne jegliche baurechtliche Absicherung, aber dennoch völlig transparent betrieben. Sie zahlen ihre Steuern an Gemeinde, Land und Bund, entrichten Kurabgaben und tragen maßgeblich zur Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur bei. Ohne diese baurechtlich nicht genehmigten, aber steuerlich ehrlichen Ferienwohnungen wären die gemeindlichen Finanzen kaum tragfähig.
Ihre Gäste sind es, die den örtlichen Einzelhandel beleben, die Boutiquen durchstöbern, die Supermärkte frequentieren, in Restaurants speisen und Handwerksbetriebe beauftragen. Auch Freizeiteinrichtungen wie die Sylter Welle profitieren von diesem Besucherstrom. Ohne diese Gäste wäre Sylt nicht das, was es heute ist – eine florierende Tourismusinsel mit einer starken Wirtschaft, die weit über die Hauptsaison hinausreicht.
Wandel durch Rechtsprechung
Über Jahrzehnte hinweg genehmigte der Kreis Nordfriesland Wohnungen, ohne dabei explizit festzulegen, ob sie dauerhaft bewohnt oder touristisch genutzt werden dürfen. Die Einwohnerzahl der Insel blieb nahezu konstant, während die Steuereinnahmen und touristischen Abgaben rasant stiegen. Doch das Verständnis von Wohnnutzung hat sich mit der Rechtsprechung gewandelt. So stellte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald am 14. April 2015 klar, dass Ferienwohnungen in allgemeinen Wohngebieten unzulässig sind.
Heute sieht sich die gleiche Baubehörde, die einst Genehmigungen für tausende „Wohnungen“ ausstellte, in der Rolle der strengen Kontrolleurin. Steuerzahlende Eigentümer erhalten nun Mahnschreiben und Fristsetzungen – eine Kehrtwende, die viele als Doppelmoral empfinden. Man könnte es mit dem alten Sprichwort umschreiben: „Wasch mich, aber mach mich nicht nass.“
Nicht nur Ferienwohnungen betroffen
Die Problematik beschränkt sich dabei nicht nur auf Ferienwohnungen. Viele Sylter haben ihre eigenen Immobilien über die Jahre an die realen Wohnbedürfnisse angepasst – ohne dass diese Umbauten baurechtlich genehmigt wurden. Wohnungen wurden aufgeteilt, Keller- und Dachgeschossräume ausgebaut. Diese Entwicklungen sind nachvollziehbar in einem Umfeld, in dem Wohnraum knapp und teuer ist. Doch nun werden auch diese Fälle unter die Lupe genommen. Der Kreis Nordfriesland spricht in diesem Zusammenhang von „Gefahrenabwehr“, da Kellerräume und Spitzböden nicht den gängigen Brandschutzbestimmungen entsprechen.
Statt jedoch Wohnraum durch rigide Kontrollen zu gefährden, wäre eine pragmatische Anpassung der baurechtlichen Vorschriften eine Lösung. Eine Neudefinition der Mindestanforderungen an Lichtschächte und Fluchtwege könnte es ermöglichen, bestehende Wohnstrukturen rechtlich abzusichern, anstatt zahlreiche wertvolle Unterkünfte dem rechtlichen Risiko der Schließung auszusetzen.
Ein neuer Begriff für eine verfahrene Situation?
Zusammenfassend ist der Begriff „illegal“ in diesem Zusammenhang irreführend. Es geht in der Regel nicht um kriminelle Machenschaften oder Steuerhinterziehung, sondern um eine Gemengelage aus Bürgern, die Wohlstand durch Tourismus anstreben, früheren Genehmigungspraktiken der Verwaltung und Gemeinden, die seit Jahrzehnten von den Einnahmen profitieren. Vielleicht wäre es an der Zeit, sich auf eine weniger stigmatisierende Bezeichnung zu einigen – etwa „Ferienwohnungen mit ausstehender Genehmigung“.
Denn letztlich geht es nicht um Schwarz-Weiß-Malerei, sondern um eine Lösung, die sowohl den Bedürfnissen der Einheimischen als auch der wirtschaftlichen Realität der Insel gerecht wird.
Geschrieben von: Redaktion / veröffentlicht am: 25.02.2025