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Die Manfred Degen Kolumne

Weihnachtsbade-Wahnsinn #34/2025

Foto: Archiv

Heldentum trifft auf Glühwein-Exzess

Zugegeben, ich bewundere sie, unsere Weihnachtsbadehelden! Pinguine – den Kreislauf auf acht bis zehn Schläge pro Minute heruntergefahren, die Körpertemperatur auf frische 29 Grad eingependelt, sind sie schon ab September auf Kampfschwimmer-Diät umgestiegen – das heißt, sie nehmen seitdem nur noch Robbenleber, rohen Fisch und Eisbärentatzen zu sich. Sie schlafen in der Tiefkühltruhe und beginnen den Tag des Weihnachtsbadens mit einer Meditation, das Antlitz Richtung Grönland gewandt.

Sie sind unsere Eisheiligen, sie zeugen ausnahmslos Kinder, die hochbegabt sind und zu Olympiasiegern (Winterspiele) taugen. Eine Arztpraxis oder ein Krankenhaus haben sie noch nie von innen gesehen. Sie werden mindestens 100 Jahren alt und bringen die Rentenkassen zum Kollaps.

Unser Winterschwimmen ist Brauchtum und Leitkultur geworden. Möchte ein Sylter eine Sylterin zur Frau nehmen, sollte er nicht nur ein paar Hektar Grund und Boden vorweisen können. Nein, die Umworbene möchte auch sicher sein, nicht auf einen Waschlappen hereinzufallen und fordert den Nachweis, mehrfach am Kältemassaker vor der Musikmuschel teilgenommen zu haben. Quasi ein Virilitätsnachweis, so wie früher die Sylt-Oster Wirtshaus-Prügeleien.

Unzweifelhaft – die Teilnehmer am Westerländer Weihnachtsbaden bilden eine Elite. Sie sind unsere GSG 9, sind unsere Jesuiten, sind unser Askese-Adel!

Ihnen gegenüber steht der jämmerliche Rest, die fröstelnden, klappenden und schlaffen Massen – vom Nordic-Walker über den E-Bike-Fahrer hin bis zum lächerlich-infantilen Golfer, einem in karierte Hosen geschossenen Grobmotoriker, der per Schläger Grassoden aus Heidelandschaften prügelt.
Sinken die Temperaturen unter zehn Grad, schlüpfen sie in ihre mit Lammfell gefütterten Winterstiefel mit chinesischen Heizsohlen.

Dann saufen sie Glühwein, diesen üblen nordischen Folklorepunsch, der die Feiertage regelmäßig in Schieflage bringt. Da wird in Hinterzimmern Tütenrotwein übelster Qualität per Tauchsieder, Rübenzucker und Chemiebaukasten zu einem dunkelroten Gebräu verschnitten, das ausreichen würde, ganze Heerscharen unserer Badegäste in den Kopf- und Weltschmerz zu treiben.

Würde Glühwein gesellschaftlich geächtet, womöglich sogar verboten – die statistische Lebenserwartung allein der Sylter würde garantiert um fünf, sechs Jahre in die Höhe schnellen. Das alles ist ein komplett würdeloses Tun und Handeln, erstaunlich für Menschen, die eine abendländische Bildung genossen haben, und sei es nur auf der Grundschule.

Ja, ich beobachte voller Sorge auf unserer Insel eine Veränderung zur Leichtigkeit. Dieses moderne, rheinisch-katholisch inspirierte „positive Denken“ buttert unsere erhabene norddeutsche Schwermut immer häufiger unter. Früher haben wir im Winter schwarzes Licht ausgestrahlt, jetzt müssen wir lustig sein.


Geschrieben von: Manfred Degen / veröffentlicht am: 31.12.2025
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