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Eine Weihnachtsgeschichte von Pastorin Regina Nitz

Von Läusen und Weihnachtswundern

Foto: Privat Pastorin Regina Nitz erhielt einen schönen Blumenstrauß als Dankeschön – darüber schreibt sie in ihrem weihnachtlichen Text für den Sylter Spiegel.

Westerland. Überraschungs-Geschenke sind die besten, oder? Heute wurde ich selbst überrascht: Die Seniorinnen und Senioren unseres Nachbarschaftsfrühstücks schenkten allen Mitarbeitenden in unserer Gemeinde dicke Blumensträuße. Auch ich bekam einen: Tanne und stolze Amaryllis, ein Glitzerhirsch, rote und goldene Kugeln – ein wahrhaft königlicher Strauß. Meine Freude war riesig!
Wann wurden Sie zuletzt so richtig überrascht? Wann dachten Sie: Wow, das ist alles unverdient?
Meine erste Pastorenstelle war in Neumünster. Frisch ordiniert sollte ich das Krippenspiel für Weihnachten einstudieren. Kein Problem, dachte ich und warb in der nahegelegenen Grundschule um Mitwirkende. Doch die Proben waren eine Herausforderung: wild, laut und chaotisch. Jede Woche kamen andere Kinder. Die angegebenen Telefonnummern stimmten oft nicht. Nach einem Zwischenfall mit Kopfläusen sprühte ich meine eigenen Kinder und mich vorsorglich mit Anti-Läuse-Mittel ein. Nach jeder Probe war meine Stimme weg.
Eine Woche vor Weihnachten hatte ich endlich eine halbwegs feste Gruppe. Die Kinder versprachen hoch und heilig, am Weihnachtstag zu kommen – aber Texte lernen? Schwierig. Mir grauste vor Weihnachten.
Die große Anscharkirche füllte sich mit erwartungsvollen Gästen. Mit jedem neu ankommenden Besucher wurde ich nervöser. Und dann ging es los. Zu meiner Überraschung spielten die Kinder, als hätten sie nie etwas anderes getan. Die Engel waren entzückend, Maria konnte ihren Text, und selbst die wilden Hirten hüteten brav ihre Schafe. Der Applaus war donnernd.
Zurück in der Sakristei bestürmten mich die Kinder mit Fragen: „War das gut? Bist du zufrieden?“ Statt einer klugen Antwort brach ich in Tränen aus. Noch nie hatte ich mich so beschenkt gefühlt. Wir umarmten uns – Läuse hin oder her – und die Kinder zogen stolz nach Hause. Kaum ein Elternteil war im Gottesdienst gewesen.
Für mich war das ein Urknall-Weihnachtserlebnis. Ich verstand: Es geht um Gnade, um unverdientes Beschenktwerden. Vielleicht haben Sie nicht die Gelegenheit, ein Krippenspiel einzustudieren. Aber suchen Sie nach Momenten, die Sie vor Dankbarkeit weinen lassen. Solche großen Geschenke sind selten, aber sie prägen sich ein. Vielleicht konnten die Seniorinnen und Senioren heute deshalb das Weihnachtsgedicht von Josef von Eichendorff so gut:
Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt’s wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit.

Paul Tillich, ein Theologe, schreibt dazu: „Der Übeschwang eines dankbaren Herzens ehrt Gott, selbst wenn es sich nicht in Worten an ihn wendet. Der Ungläubige, den Dankbarkeit für sein Dasein erfüllt, ist kein Ungläubiger mehr.“
Wer auch immer Sie mehr anspricht – Eichendorff oder Tillich, Lyrik oder Theologie – ich wünsche uns allen, dass wir immer wieder überrascht und beschenkt werden.
Und den Spielerinnen und Spielern des diesjährigen Krippenspiels: Viel Glück!

Fröhliche Weihnachten!


Geschrieben von: Redaktion / veröffentlicht am: 23.12.2024
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