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Bettina Dethloff berichtet über ihre Erlebnisse rund um eine Darmspiegelung

Ohne Ballast zur Untersuchung

Foto: Bettina Dethloff Auf dem Bild sind zu sehen (v.l.): Hanka Schulz, Michelle Nadine Boelcke und Dr. Karin Münzer.

Insel Sylt. „Darmspiegelung…“, schon das Wort löst ja das nackte Grauen aus. Und als ob das nicht reicht, erinnert man sich an diverse Berichte derer, die so etwas schon irgendwann mal mitgemacht haben. Vier Liter einer ekligen Salzlösung mussten die trinken. Selbst ohne eklig zu schmecken, würde ich keine vier Liter in mich hineinbekommen. Das schafft man ja nicht mal, wenn das Getränk gut schmeckt, so wie Rotwein zum Beispiel.

Aber egal, meine Hausärztin sagt, in meinem Alter sollte man diese Untersuchung unbedingt mal machen.

Meine bessere Hälfte meinte, das einzig „Schlimme“ sei für ihn gewesen, dass man am „Tag davor“ nur noch frühstücken und danach nichts festes mehr zu sich nehmen durfte. Er hat nach überstandener Untersuchung dermaßen viel gegessen, dass ich ihm die ganze Zeit fassungslos dabei gesehen habe und mich hinterher wunderte, dass er diese Orgie problemlos vertragen hat.
Meine größte Sorge in dieser Sache war, nicht wieder wach zu werden. Bei vorangegangenen Operationen mit Vollnarkose habe ich die Ärzte ziemlich angestrengt mit meiner Nichtaufwachpanik. Diesmal sollte es zwar nur eine Sedierung sein. Aber trotzdem….

Dr. Karin Münzer erklärte mir beim Aufklärungsgespräch, einige Tage vor der Untersuchung müsste ich bitte ballaststoffarm essen und keine kleinen Körner zu mir nehmen, also auch keine Tomaten. Auf Nüsse sollte ich ebenso verzichten wie auf Schwarzbrot und zuletzt auch auf schwarzen Tee. Meine bessere Hälfte hatte zumindest mit diesen Vorgaben keine Probleme – als passionierter Burger- und eher Nichtsalatesser. Ich dagegen liebe alles, was körnig ist, und ich liebe Salat und Tomaten. Leider liebe ich auch Schokolade. Zwei Tage vor der Untersuchung hatte ich Apothekendienst. Nach einigen turbulenten Stunden spendierte eine Kollegin ein Eis. „Schoko pur oder mit Mandel?“, fragte sie. Ich nahm Mandel. Zu Dritt saßen wir im Nachtdienstzimmer. Plötzlich überfiel mich die Erkenntnis, dass ich Mandeln in der Schoki hatte und schrie auf: „Oh Nein! Sowas darf ich ja gar nicht essen!“ Die anderen sprangen von den Stühlen auf und sahen mich mit weit aufgerissenen Augen an. Sie hatten mindestens eine schwere Allergie vermutet und rechneten mit dem Schlimmsten. Ich starrte auf mein halb aufgegessenes Eis und erinnerte, dass meine Spiegelung ansteht. Sie atmeten aus und schimpften: „Den Rest davon isst du jetzt aber nicht mehr!“

Am Hungertag vor der Untersuchung habe ich mir vorsichtshalber Spickzettel geschrieben, einen für den Vorratsschrank, einen für die Kühlschranktür. Die Aufschrift lautete „NO.“ Als am Nachmittag mein Magen knurrte und mein Hirn nicht mehr gut arbeiten wollte, löste Tee mit Zucker das Problem. Von der salzigen Abführlösung muss man heutzutage nur noch an beiden Tagen jeweils einen dreiviertel Liter trinken, das bekam ich ganz gut hin. Im Laufe des „Hungertages“ kam dann ein bisschen Bauchgrollen dazu. Und die Überlegung, dass ich ein chaotisches Büro hinterlassen würde, sollte ich nicht wieder aufwachen: Die fällige Steuerklärung nicht mal angefangen, den neuen Roman längst nicht fertig, Schreibaufträge, die in Kürze erledigt sein mussten…
Als ich am nächsten Morgen im Wartebereich der Klinik saß, wurde ich diverse Male gefragt: „Na, wen sollst du heute interviewen?“ Meine Antwort, ich sei als Patient da, entlockte dem jeweiligen Gegenüber entweder ein Lächeln oder einen Schrecken. Ich fand´s auf jeden Fall nett, bekannte Gesichter zu sehen.

„Wenn Sie dann Lust und Zeit haben, können Sie mitkommen“, sagte plötzlich ein freundliches Wesen hinter mir. Ich musste überlegen, beides traf nicht zu. „Verabredet ist verabredet“, forderte sie mich unbarmherzig auf, ihr zu folgen.

Begleitend von den Worten „Zuerst die frische Brise“, gab man mir Sauerstoff. Ich durfte mir einen Ort wünschen, wohin ich mich träumen wollte. Den Vorschlag Karibik lehnte ich ab. Das wäre Verrat, so selten, wie ich es an den heimischen Strand schaffe.

„Gut“, meinte das freundliche Wesen. „Dann träumen Sie sich an den Strand vor der Nordseeklinik.“
Dann dachte sie wohl, genug mit Smalltalk, und sagte: „Bis gleich!“

„Bis gleich“ fand ich außerordentlich beruhigend. Anschließend war ich wie ausgeknipst.

„Frau Dethloff, Sie sind fertig“, hörte ich gefühlt wenige Sekunden später und brauchte einen Moment zur Orientierung, bevor ich mich langsam aufsetzte. Anästhesist Markus Stumm eilte gerade vorbei, als er mich im Aufwachraum der Intensivstation erblickte. Er kam im Rückwärtsschritt zurück. „Was machst du denn hier?“ „Ich wollte gucken, ob es stimmt, was ich so schreibe“, murmelte ich. Leise lachend lief er weiter.

Als mich mein vorbestimmter Abholer zum Auto brachte, freute ich mich auf Brötchen mit Körnern, auf Tomaten und Nüsse. Zurück zu Hause warf ich einen kurzen Blick auf meinen Schreibtisch und sagte: „Ich mache eine klitzekleine Pause. Aber dann duck dich, wir haben einiges aufzuholen.“

Ich machte es mir auf dem Sofa bequem, nickte dem Hund zu und war erneut wie ausgeknipst. Mehr als zwei Stunden später wurde ich wieder wach und schaute in zwei fragende schwarze Kulleraugen. „Ach herrje“, sagte ich leise. „Nun haben wir ja gar nichts geschafft.“ Das hatte mir Dr. Münzer allerdings schon vorher prophezeit und außerdem war dies die einzige „Nebenwirkung“.
Somit darf man wohl abschließend sagen: „Ziemlich gut gelaufen.“


Geschrieben von: Bettina Dethloff / veröffentlicht am: 16.12.2021
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