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Zu Besuch bei der Sylter Tafel

Unsichtbare Spuren der Armut

Foto: Privat Ohne sie wäre die Tafel nicht denkbar – die Ehrenamtlichen engagieren sich für das Wohl der bedürftigen Menschen auf Sylt. Jede Woche sind es zehn bis zwölf Helfer, die mit anpacken.

Insel Sylt. Armut ist nicht nur eine materielle Notlage – sie greift tief ins emotionale Leben der Menschen ein und hinterlässt Spuren, die oft unsichtbar bleiben. Sie ist ein täglicher Kampf, der weit über das Fehlen von Geld hinausgeht. Es ist das ständige Gefühl, nicht genug zu haben, nie genug zu sein und niemals dazuzugehören.

Menschen, die in Armut leben, tragen oft eine unsichtbare Last der Scham. Sie erleben sich selbst als „weniger“ – weniger fähig, weniger erfolgreich, weniger wert. Armut wird gesellschaftlich oft mit Versagen verbunden, und wer arm ist, fühlt sich oft als Teil einer unsichtbaren Gruppe, die nicht wahrgenommen wird, die ausgeschlossen ist. Es schmerzt, sich ständig erklären zu müssen, warum man „es nicht geschafft hat“ – als ob das Leben nur aus einem Wettlauf besteht, in dem man nie das Ziel erreicht.
Armut kann eine unsichtbare Mauer bauen, die den Menschen von der Welt trennt. Es sind nicht nur die physischen Grenzen – der Verzicht auf Aktivitäten, die man sich nicht leisten kann – sondern auch die inneren Mauern, die durch die Scham wachsen. Viele Menschen, die in Armut leben, ziehen sich zurück, weil sie nicht mehr in der Lage sind, an sozialen Aktivitäten teilzunehmen, die andere für selbstverständlich halten. Der Gang zum Kino, das Treffen mit Freunden, der Besuch eines Restaurants – all das wird zur Erinnerung an das, was einem fehlt. Die emotionalste und schmerzhafteste Erfahrung von Armut ist vielleicht die Hoffnungslosigkeit. Menschen in Armut verlieren die Vorstellung davon, dass das Leben noch eine bessere Seite haben könnte. Sie können sich eine Zukunft nicht mehr vorstellen, die anders ist, und mit dieser Unfähigkeit, zu träumen, wird das Leben grau.

Um das Leben von Armen wieder etwas bunter zu machen, gibt es die Tafeln – auch auf Sylt. Der Besuch von Tafeln ist für viele Menschen eine Notwendigkeit, da die steigenden Lebenshaltungskosten das tägliche Leben immer schwieriger machen.

Seit 26 Jahren kümmert sich die Sylter Tafel um die Bedürftigen auf der Insel, für die die Tafel ein wichtiger Anlaufpunkt ist. Der wöchentliche Besucher ist ein fester Termin, um sich nicht nur mit Grundnahrungsmitteln einzudecken, sondern auch um Kontakte zu pflegen, einen Kaffee zu trinken und eine Runde zu schnacken. Seit diesem Jahr gibt es zusätzlich bei der Dienstags-ausgabe die Möglichkeit, einmal im Monat gemeinsam zu frühstücken. Eine Kuchenausgabe am Donnerstagnachmittag ist in Planung. An beiden Ausgabeorten – in den Räumlichkeiten der katholischen Kirche sowie im Geschwister-Scholl-Weg können sich die Kunden während des Wartens unterstellen.

„In diesem Jahr lag der Schnitt bei 70 Besuchern sagt Dörte Lindner-Schmidt, Vorsitzende der Sylter Tafel.

Etwa zehn bis zwölf Ehrenamtliche helfen bei den Ausgaben mit – vom Einsammeln der Lebensmittel, vom Auf- und Abbau der Tische bis hin zum Kaffeekochen. Insgesamt engagieren sich 40 Menschen bei der Tafel.

Robert Eyhorn ist seit März mit dabei. Der gebürtige Wilhelmshavener war früher Verpflegungsoffizier bei der Bundeswehr. Nach seiner Berufstätigkeit engagiert er sich nun bei der Tafel. „Ich wollte mich sozial engagieren und etwas zurückgeben“, erklärt er seine Beweggründe. Dazu gibt es ein tolles Miteinander im Team sowie zwischen den Ehrenamtlichen und den Besuchern. „Man bekommt von den Kunden auch sehr viel zurück“, sagt Eyhorn. Hans Wilhelm Hansen ist Beisitzer im Vorstand und seit neun Jahren bei der Tafel aktiv. Lange hat er sich in der Kommunalpolitik engagiert, doch das war ihm irgendwann nicht mehr genug. „Bei der Tafel wird man gebraucht und tut etwas sehr Sinnvolles und Gutes“, sagt er. Alle Ehrenamtlichen eint der Wunsch, etwas Gutes für Menschen zu tun, die Hilfe brauchen. Stellvertretend für alle Tafel-Mitarbeiter sei Helga Ahlborn hervorgehoben, die mit 83 Jahren ordentlich anpackt. Ohne das vielfältige Engagement der Ehrenamtlichen ginge bei der Tafel nichts. Sie sind alle für die Gäste da, stellen sich selbst nicht in den Vordergrund und packen einfach an.

Deutschlandweit besuchen inzwischen etwa 2 Millionen Menschen regelmäßig die Tafeln. Diese Zahl hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Besonders betroffen sind Rentner, Alleinerziehende und Familien mit vielen Kindern, die aufgrund steigender Lebenshaltungskosten Schwierigkeiten haben, ihren Alltag zu bestreiten.

Die steigenden Zahlen der Besucherinnen und Besucher spiegeln die wachsende Armut und die soziale Ungleichheit wider. Die Tafeln sprechen von einem Anstieg der Bedürftigkeit, der sich bereits seit 2019 kontinuierlich verstärkt hat. Neben den klassischen Klienten wie Arbeitslosen und Geringverdienern nehmen auch immer mehr Berufstätige die Hilfe in Anspruch, die trotz eines eigenen Einkommens nicht über die Runden kommen.

Zur Information
Da die Weihnachtsfeiertage auf die Ausgabetage der Sylter Tafel fallen, wird am 24.12, 26.12 und 31.12 keine Lebensmittel-Ausgabe stattfinden. Die nächste Ausgabe findet am Donnerstag, 2. Januar 2025 statt.

Für Notfälle ist die Tafel unter 0160 95634005 zu erreichen.


Geschrieben von: Nicole Lütke / veröffentlicht am: 23.12.2024
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