Wie hat sich die Pandemie auf den Flughafen Sylt ausgewirkt? Im Gespräch mit Peter Douven
Sehr gut durch die Krise gekommen

Insel Sylt. Wo steht der Flughafen Sylt am Ende des zweiten Pandemiejahres? Und mit welchen Perspektiven darf künftig gerechnet werden? Darüber kam die Sylter Zeitung vor kurzem mit dem Geschäftsführer der Flughafen Sylt GmbH, Peter Douven, ins Gespräch.
„Im Frühjahr 2020, zu Beginn der Pandemie, rauschte der Luftverkehr von und nach Sylt um fast 90 Prozent in die Tiefe“, sagte Peter Douven. Dies habe sich allerdings bereits im Mai wieder geändert, als die Zahlen wieder gestiegen sind. „Im Frühjahr und Sommer haben sich die Zahlen schnell wieder erholt, denn es sprach sich schnell herum, dass die Luftfilter in Flugzeugen wesentlich besser funktionieren als in Bahnen und Bussen, es war also in der Krise – relativ gesehen – risikoärmer zu fliegen, als mit der Bahn anzureisen.“
Die Entwicklung habe sich im Jahr 2021 positiv fortgesetzt, obwohl der Lockdown in diesem Jahr von Januar bis in den Mai hinein dauerte und sich somit länger hinzog als 2020. „Sicherlich auch deshalb hatten die Menschen Hunger, mal wieder zu Hause rauszukommen und an die See zu fahren“, so Douven. Die Nachfrage im Inland stieg nach Mai stark an, viele wollten angesichts der weiter existenten Corona-Lage nicht ins Ausland, „in die Warmwasserzonen“, wie Peter Douven erläuterte. Sondern an die deutsche Ostseeküste, nach Schleswig-Holstein, an die Nordsee – vor allem nach Sylt. Und das gerne mit dem Flugzeug.
Das Jahr 2021 ist zwar noch nicht ganz zu Ende, aber der Flughafenchef geht von rund 105.000 Passagieren aus, die in diesem Jahr in Sylt gestartet oder gelandet sind. Im ersten Pandemiejahr 2020 wurden dagegen nur 88.728 Passagiere gezählt. 2019 waren es noch 143.600 Passagiere. Die Zahl der Passagiere sackte also zwischen 2019 und 2020 pandemiebedingt um satte 38,2 Prozent ab. Zum Vergleich: Der innerdeutsche Luftverkehr verlor im selben Zeitraum über 70 Prozent, also fast das Doppelte!
„Nach den etwa 105.000 Passagieren in diesem Jahr rechnen wir 2022 mit rund 120.000 Passagieren. Der Sylter Flughafen ist also sehr gut durch diese noch anhaltende Krise gekommen, auch wenn er natürlich Flugbewegungen und Passagiere einbüßte.“ Die Branche geht davon aus, dass es insgesamt etwa fünf Jahre dauert, um wieder die Vorkrisenkennzahlen zu erreichen.
Für das im Vergleich zu anderen deutschen Regionalflughäfen gute Abschneiden des Sylter Flughafens nach fast zwei Corona-Jahren gibt es mehrere Gründe. Grundsätzlich unterscheidet sich der hiesige Flughafen von anderen Regionalflughäfen dadurch, dass er ein Zielflughafen ist und kein Abflughafen. Das heißt, dass üblicherweise von deutschen Regionalflughäfen in Warmwasserzonen im Ausland gestartet wird. Kaufkraft wird also exportiert.
Ganz anders stellt sich die Lage beim Flughafen Sylt dar: Sylt wird von fast allen Großflughäfen des Inlands und auch aus dem Ausland angeflogen (bisher Zürich, ab Frühjahr 2022 auch Luxemburg). Kaufkraft bleibt also im Inland bzw. wird aus dem Ausland importiert. „In der Pandemie war diese besondere Situation von Vorteil, denn die Nachfrage unter anderem nach Sylt lebte sehr schnell auf.“
Auch künftig wird der Flughafen Sylt im Wettbewerb eher profitieren, trotz oder gerade wegen der sich ändernden Rahmenbedingungen im umwelt- und verkehrspolitischen Bereich. „Die Inlandsflüge wurden bis zum Beginn der Pandemie insbesondere durch Geschäftsreiseverkehre und durch Zubringerdienste etwa von kleineren Flughäfen vorrangig in Richtung der internationalen Drehkreuze wie Frankfurt oder München getragen“, erläuterte Peter Douven. Der Geschäftsreiseverkehr zwischen den Großstädten werde sich durch die Digitalisierung und die geplanten zusätzlichen Angebote der Bahn sicherlich dauerhaft verändern und von der Luft auf die Schiene verlegen.
Die äußerste Randlage der Insel Sylt und deren auch im 21. Jahrhundert andauernden schlechten Anbindung an andere Verkehrsnetze werde die Nachfrage nach Flugangeboten in Richtung Sylt weiter aufrechterhalten, ist sich Peter Douven sicher. Gleichzeitig sei eine Rückkehr zu kleineren und effizienteren Flugzeugen im Regional- und Kurzstreckenverkehr zu erkennen. Die Größe der Flugzeuge werde als erste mit CO2-reduzierten oder sogar CO2-neutralen Antrieben ausgestattet werden können. „Das wird voraussichtlich noch vor der Umsetzung der kompletten Zweigleisigkeit und Elektrifizierung der Marschbahn der Fall sein.“
Möglich wird dies durch den Einsatz von sogenannten Sustainable Aviation Fuels und insbesondere durch Power to Liquid Verfahren. Dies bedeutet, dass durch den Einsatz von regenerativer Energie und Wasser Wasserstoff erzeugt wird, der dann zusammen mit der Atmosphäre entzogenem CO2 zur Herstellung von Kraftstoffen genutzt wird. Es entsteht ein Kreislauf ohne zusätzlichen CO2-Ausstoß. „Von dieser Entwicklung wird der Sylter Flughafen eher profitieren können als ferne Ziele. Und durch die nun endlich hergestellte Wettbewerbsgleichheit zu Großflughäfen im Inland und zu den Flughäfen im Ausland durch Übernahme der hoheitlichen Flugsicherungskosten durch den Bund wird der Sylter Flughafen profitabel arbeiten. Auch damit nimmt unser Flughafen eine Sonderstellung im Reigen der Regionalflughäfen ein“, gab sich der Flughafengeschäftsführer zum Abschluss des Gesprächs optimistisch. Hintergrund: In 2021 ist eine Gesetzesanpassung auf Bundesebene erfolgt, die sämtliche Regionalflughäfen hinsichtlich der Flugsicherung wettbewerbsrechtlich nahezu gleichschaltet. Das heißt im Klartext, dass der Bund die Kosten für die Flugsicherung übernimmt.
Hintergrund: Im Jahr 2004 übernahm Peter Douven die Geschäftsführung der Flughafen Sylt GmbH. Damals zählte der Flughafen 48.000 Passagiere. Im Jahr 2011 erreichte der Flughafen mit 217.000 Passagieren seine bisherige Bestmarke. Schon damals war klar, dass für Sylt als reinem Zielflughafen eine Zielkorridor zwischen 140.000 und 170.000 Fluggästen eine sinnvolle Planungsbasis darstellt. Dies hat sich in den Jahren 2012 bis 2019 – trotz der zwischenzeitlichen Insolvenz von Air Berlin 2017 – bestätigt.
Geschrieben von: Heiko Wiegand / veröffentlicht am: 28.12.2021