- Werbeanzeige -

Interview mit Ole König:

Rettung aus dem Nichts – Syltcharta

Foto: Axel Steinbach

Deus ex machina – Mit der Syltcharta liegt ein unerwarteter Lösungsvorschlag für die Baurechtskrise auf dem Tisch.

Die Sylter Baurechtskrise geht in das dritte Jahr. Seit dem Beginn der Kontrollen durch die Baubehörde in Husum und dem Beschluss des Beherbergungskonzeptes herrscht Unsicherheit bei Vermietern, Unternehmern und zunehmend auch Sorge bei Arbeitnehmern um Ihre Jobs. Die Bürgermeister ringen mit dem Kreis um Lösungen und das weitere Vorgehen – bislang ohne Ergebnis. Bis Mai 2026 ist eine neue EU-Verordnung zur Registrierung von Ferienwohnungen in deutsches Recht umzusetzen, die den Druck auf die Politik deutlich erhöht.

Nach fast zwei Jahren kommen nun Sylter Unternehmer mit einem disruptiven Lösungsvorschlag, der beabsichtigt, den Zielkonflikt zwischen Schaffung von Dauerwohnraum und dem Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage zu überwinden. Zeit, um mit dem gebürtigen Sylter Ole König, einem der Köpfe hinter der Idee, über die Syltcharta zu sprechen.

Sylter Spiegel: Mit dem Syltfonds präsentieren Sie eine gänzlich neue Idee. Sie schlagen quasi einen modernen Ablasshandel vor?
Ich finde diese Bezeichnung ist zwar grundsätzlich richtig, lenkt die Diskussion jedoch in die falsche Richtung. Wir sollten wieder lösungsorientierter denken und uns die richtigen Fragen stellen: Wie schaffen wir es, dass die KiTas vor Neuanmeldungen aus allen Nähten platzen? Was müssen wir tun, damit unseren Schulen zu klein für die vielen Kinder werden? Wie machen wir Sylt so attraktiv, dass gerade junge Familien lieber auf Sylt heimisch werden als auf dem Festland? Haben wir Grundstücke damit junge Handwerker ihren Betrieb auf Sylt eröffnen, anstatt jeden Tag transporterweise Mitarbeiter nach Sylt zu schicken? Sylt würde gut daran tun, sich zu bemühen ein attraktives Angebot an die Menschen zu machen, anstatt den wirtschaftlichen Erfolg schlecht zureden.

„Wer gegen eine Legalisierung der faktischen Bestände ist, der möge den Syltern und Pendlern erklären wovon diese künftig die Miete zahlen sollen.“

Sylter Spiegel: Was hat Sie auf die Idee der Syltcharta gebracht?
Die Idee fußt auf der Erkenntnis, dass wir nicht ein paar schwarze Schafe haben, die ohne Genehmigung vermietet haben. Wir reden darüber,
dass 80-90% der Wohnungen keine korrekte Genehmigung haben. Die Lebensgrundlage der Sylter wackelt an den Grundfesten. Die Idee wurde entwickelt über die letzten beiden Jahre. Die Erfahrung von Syltern, Architekten, Bänkern, Stadtplanern und Anwälten ist eingeflossen bei der Suche nach den Ursachen für den „Ausverkauf“ der Sylter und diesen Lösungsansätzen.

Sylter Spiegel: In Wenningstedt sind laut Bürgermeister 85% der Ferienwohnungen nicht genehmigt. In Morsum sollen es fast 100% sein. Wie groß ist das Problem Ihrer Meinung nach wirklich?

Das Problem ist über sieben Jahrzehnte gewachsen und derart groß und komplex, dass es keine einfache Lösung gibt. Die Sylter Wirtschaft ist zu mindestens 2/3 vom Tourismus abhängig. Und der Tourismus wiederum besteht zu rund 80% aus Ferien- und
Zweitwohnungsgästen. Und von diesen Wohnungen sind ca. 80-90% nicht genehmigt.
Wer jetzt lapidar fordert, geltendes Recht durchsetzen, dem scheint die Therapie wichtiger als der Patient. Denn das führt zur Vernichtung der Lebensgrundlage der Sylter. Und zur gemeindlichen Insolvenz. Wer glaubt, dass nur die Vermietagenturen betroffen sind, der hat das Problem noch nicht durchdacht.

Sylter Spiegel: Die Sylter Gemeinden zählen zu den reichsten in Schleswig-Holstein. Und die Rücklagen sind millionenschwer. Da muss man doch nicht gleich den Untergang heraufbeschwören. Warum warnen Sie dennoch so lautstark?
Ich würde es anders formulieren: die Sylter Gemeinden sind am wenigsten pleite. Wer sich die Zahlen in den Haushalten ansieht, der wird entdecken, dass diese bereits heute ein laufendes Minus ausweisen und in Anbetracht der dringend erforderlichen Investitionen in Straßen, Gebäude, Wärmewende etc. vor großen Herausforderungen stehen. Hinzukommt, dass wir einen kritischen Konjunkturknick erleben. Wenn wir jetzt nur 20% der Wohnungen verlieren, stehen die Gemeinden vor schier unlösbaren Aufgaben. Die Rücklagen werden schmelzen wie ein Eis in der Sonne. Und was machen wir dann? Woher sollen die Gelder für die Unterstützung der Vereine, den Straßenbau, den Wohnungsbau, die Gehälter der Gemeindemitarbeiter kommen? „Wenn 80-90% der Wohnungen nicht legal sein sollen, dann wird es Zeit zu fragen, ob wir die Lebensrealität den Gesetzen anpassen müssen oder umgekehrt.“

Sylter Spiegel: Aus welchen Gründen verkaufen die Sylter denn Ihre Häuser und wie wollen Sie das verhindern?

In der Regel verkaufen sie, weil sie nicht anders können. Nach meiner Erfahrung steckt oftmals das gesamte Vermögen der Sylter in Ihren Häusern. Wenn der Erbfall eintritt, kann ein Erbe den anderen nicht auszahlen. Beispiel: Bei einem Einfamilienhaus aus den 60er Jahren muss ein Erbe seinen Miterben mit mehreren hunderttausend Euro auszahlen, wenn er einziehen möchte. Meist sind die Immobilien dann noch sanierungsbedürftig. Das überfordert die Erben schlichtweg finanziell. Wir werden nicht alle Verkäufe von Syltern verhindern in dieser Generation. Aber durch den „Spurwechsel“ in die Erbpacht können wir aus der Vergangenheit lernen und den Erbgang der kommenden Generation deutlich erleichtern.

Sylter Spiegel: Ist das bei Erbpacht anders?

Ja, grundlegend. Bei Erbpacht gehört das Grundstück z. B. der Gemeinde und der Nutzer kann zwar wie ein Eigentümer darauf bauen, aber die Erben müssen im Wesentlichen lediglich den Gebäudewert versteuern bzw. untereinander ausgleichen. Das reduziert die Erbwerte derart, dass es deutlich realistischer wird, Wohneigentum von einer Generation auf die nächste zu vererben.

Sylter Spiegel: Zuweilen hört man, dass die Immobilienpreise sinken werden durch die Kontrollen und dann die Sylter wieder kaufen können. Stimmen Sie dem zu und wenn ja „wieviel Immobilie“ kann sich eine Sylter Familie leisten?

Bevor die Preise so drastisch sinken, dass die Sylter wieder kaufen können, hätten wir neben einer Bankenkrise, Insolvenzen und zerstörten Lebensleistungen, gerade auch von Sylter Familien, zunächst einmal betuchte Festländer die sich noch mehr als Erstwohnsitz getarnte Zweitwohnsitze zulegen. Die Preise werden also nicht so drastisch sinken, das ist illusorisch und wäre dystopisch. Aus Gesprächen mit Syltern und Bänkern wissen wir allerdings, dass eine vernünftig verdienende Familie lediglich rund 3.000 bis 4.000 Euro pro Quadratmeter finanzieren kann. Beim besten Wunsch und Willen werden sinkende Preise unser Problem nicht lösen, sondern ganz im Gegenteil.

Sylter Spiegel: Sie plädieren für Baugebiete für Sylter. Abgesehen von der Frage nach geeigneten Flächen, wie soll das denn funktionieren, wenn Sie selbst sagen, dass die Sylter noch nicht mal die Baukosten stemmen können?

Wir müssen unterscheiden: Kaufpreis für eine alte Immobilie plus Sanierungskosten sind in der Regel ebenso wenig finanzierbar für Sylter wie der Neubau eines Architektenhauses, das durch die Bebauungspläne und Grundstückszuschnitte in den meisten Wohngebieten erforderlich ist. Anders sieht es hingegen in Baugebieten aus, wie wir das von nahezu jedem Ort von Klanxbüll bis nach Rosenheim kennen. In diesen Gebieten können die bekannten Serienhausbauer ansprechende Häuser zu anderen Konditionen erstellen, wenn diese gleich 5 oder 15 Häuser nacheinander bauen dürfen. Üblich ist es auch, dass die Bauherren einige Leistungen wie Bodenverlegung und Malerarbeiten selbst bzw. mit Freunden und Familie durchführen. So läuft das in der normalen Welt in der Regel.

Sylter Spiegel: Aber damit ist noch nicht gesagt wo diese Flächen entstehen sollen.

Mit Verlaub, aber wenn wir die Weichen für die Zukunft der Insel stellen wollen, dann müssen wir auch in Kauf nehmen, dass neues Bauland nur für Einheimische ausgewiesen wird. Stellen wir uns mal vor, dass jeder Inselort einen Hektar Bauland für Sylter ausweisen würde, dann bedeutet dies, dass beispielsweise Westerland im Norden und Süden jeweils ungefähr ein halbes Fußballfeld für Sylter als Dauerwohnraum ausweist. Dadurch könnten rund 240 Grundstücke mit je 500 Quadratmeter entstehen, auf denen dann 120 Einfamilien- und 240 Doppelhäuser, also insgesamt 360 Familienheime auf Erbpacht entstehen können. Das bringt uns der Antwort auf die Frage wie wir die Kitas und die Jugendfeuerwehren mit Neuanmeldungen fluten deutlich näher.

Sylter Spiegel: Was sagen Sie den Stimmen, die fordern geltendes Recht durchzusetzen?

Wenn 80-90% der Ferienwohnungen, die durch die beherbergten Gäste die Lebensgrundlage der Sylter Wirtschaft darstellen, nicht genehmigt sind, dann muss man sich die Frage stellen, ob das geltende Recht in der aktuellen Fassung noch das richtige Instrument ist oder eine Anpassung an die Lebensrealitäten Sinn machen könnte. Jeder der für den Lebensunterhalt der Familie arbeiten geht, Verantwortung für Mitarbeitergehälter trägt und geringfügig Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge hat, wird hundertmal lieber Lösungen suchen, um den Zielkonflikt zwischen Erhalt der Wirtschaft und Schffung von Dauerwohnraum zu überwinden, als mit den Existenzen nahezu aller Sylter und Pendler zu spielen.

Sylter Spiegel: Wie gehen Sie weiter vor und wie aussichtsreich ist die Syltcharta?

Aufgrund der Tatsache, dass die Zeit drängt und das baurechtliche Problem in den meisten anderen Destinationen mehr oder weniger stark ausgeprägt vorherrscht, dürfte der Lösungsansatz breites Interesse erwecken. Durch das Rechtsgutachten, dass der Verein der Sylter Unternehmern eingeholt hat, ist davon auszugehen, dass das Land durch Gesetzesänderung die Möglichkeit hat den Gemeinden dieses Werkzeug in die Hand zu geben. Wir werden den Austausch mit der Politik suchen und bieten uns an, einen gemeinsamen Weg zu finden.


Geschrieben von: Sylter Spiegel / veröffentlicht am: 22.01.2025
- Werbeanzeige -

Meistgeklickte Artikel

- Werbeanzeige -
  • Jobbörse Sylt
  • Insel Sylt Tourismus-Service GmbH
  • v. Stern’sche Druckerei
  • Sylt Marketing
Alle Rechte bei Sylter Spiegel © 2025