Stolpersteine erinnern an Opfer des Nazi-Regimes
Namen der Menschen nicht vergessen

Insel Sylt. Sie sind quadratisch, nur zehn mal zehn Zentimter groß, mit einem Messingschild versehen und werden in Gehwege eingelassen: die Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig. Über seine Intention sagte er einmal: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Mit den Steinen möchte er den Menschen, die von den Nationalsozialisten ermordet und zuvor zu Nummern degradiert worden waren, ihren Namen und damit auch die Erinnerung an sie zurückgeben.
Die Stolpersteine sind ein Projekt des Bildhauers Gunter Demnig. Seit 1996 verlegt er die kleinen Gedenktafeln. Auf Sylt wurden insgesamt bislang 24 Stolpersteine verlegt. 2007 kam Demnig auf die Insel, um die ersten fünf Steine in den Boden einzulassen. 2009 kamen weitere 15 Messingschilder hinzu. Und im vergangenen Jahr waren es nochmals vier weitere Stolpersteine. Diese erinnern an den Westerländer Bürgermeister Dr. Martin Frommhold und seinen Sohn Wolfgang (Bürgermeister-Kapp-Weg 2, Westerland) sowie an Hans Leopold Hansen (Steinmannstraße 15, Westerland) und Georg Alfred Zeffner (Am Tipkenhoog, Keitum). Die Inschriften auf den Steinen zeigen die Geburts- und Todesdaten der Opfer sowie die Deportations- und Stationen ihrer Haft. Doch wer waren die Menschen hinter den Daten? Die Sylter Zeitung stellt die letzten vier Menschen, an die mit einem Stolperstein erinnert wird, vor.
• Dr. jur. Martin Frommhold, geboren am 20. Juni 1880 in Dörnthal (Sachsen), gestorben am 10. April 1933 in Hannover
Martin Frommhold zog 1908 mit seiner Frau Grete nach Westerland, wo er im selben Jahr zum Bürgermeister gewählt worden war. Das Paar bekam drei Kinder, darunter den ältesten Sohn Wolfgang, der ebenfalls Opfer des nationalsozialistischen Regimes wurde. Westerland erlebte während Frommholds Amtszeit einen Aufschwung, wobei er viel zum infrastrukturellen Ausbau beigetragen hat. Frommhold positionierte sich offen als Gegner der Nationalsozialisten. Daraufhin begann eine Rufmordkampagne, und ihm wurde mit Amtsenthebung gedroht, was den wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Ruin der Familie bedeutet hätte. Sein Abschiedsbrief zeugt von seiner Verzweiflung. Er erschoss sich am 10. April 1933.
• Wolfgang Frommhold, geboren am 15. Juni 1909 in Westerland, gestorben am 10. Januar 1942 in Sorau (Lausitz)
Der Westerländer litt unter Taubheit und epileptischen Anfällen. 1923 übergaben ihn die Eltern in die Obhut des „Asyl für Epileptische und Idioten“, um ihn durch geeignete Pflegekräfte versorgt zu wissen. Wolfgang entging zunächst den Massenermordungen von Patienten aus psychiatrischen Anstalten für kranke und behinderte Menschen im Rahmen der sogenannten „T4-Aktion“ zwischen 1940 und 1941. Durch diese wurden aufgrund ärztlicher Gutachten Patienten ausgewählt, die im Wege der NS-„Euthanasie“ getötet wurden. Wolfgang wurde 1941 in die Anstalt Sorau in der Lausitz verlegt, in der er 1942 zu Tode kam. Die Todesursache wurde wie bei allen „Euthanasie“-Morden durch eine beliebige Diagnose verschleiert. Auch die Sterbedaten der Opfer wurden frei erfunden, um die Tötungsaktionen zu vertuschen.
• Hans Leopold Hansen, geboren am 6. Januar 1898 in Westerland, gestorben am 6. Dezember 1944 im KZ Buchenwald
Seitdem er 13 Jahre alt war, beging Hansen mehrere Gelegenheitsdiebstähle und Einbrüche und wurde zu Jugendstrafen von jeweils einigen Monaten verurteilt. Später wurde er in eine Heilanstalt eingewiesen und ein Gutachten bescheinigte ihm eine geistige Behinderung. Am 13. Juli 1944 wurde Hansen wegen „intimen Verkehr[s] mit einer Polin“ verhaftet. Ab dem 2. November 1944 befand er sich im KZ Stutthof, von wo er am 29. November 1944 mit einem Transport in das KZ Buchenwald „verlegt“ wurde. Am 6. Dezember 1944 verstarb Hans Leopold Hansen, vermutlich an Fleckfieber.
• Georg Alfred Zeffner, geboren 1895 in Keitum, gestorben am 25. Juli 1941 in Bernburg (Saale)
Der verheiratete Bäckersohn fuhr bis 1924 zur See. 1938 schickte man ihn in das psychiatrische Landeskrankenhaus Merzig im Saarland. Dieses wurde kurz nach Kriegsbeginn geräumt und Zeffner kam in die Landesheilanstalt Haina, die seit 1940 in die „Aktion T4“ einbezogen war. Im März 1940 wurde durch einen Arzt festgestellt, dass Zeffner „vollinvalide“ ist und ihm keine Arbeit mehr zugemutet werden kann. Im Juni 1941 wurde er in die Landesheilanstalt Königslutter verlegt. Dem Eintrag im kirchlichen Sterberegister zufolge verstarb Zeffner am 25. Juli 1941 in Bernburg. Das beurkundete Todesdatum ist höchstwahrscheinlich falsch und er wurde noch am Tag seiner Ankunft in der „Euthanasie“-Anstalt ermordert. Die Beisetzung in Keitum erfolgte am 21. August 1941.
Die verlegten Stolpersteine in Sylt finden Interessierte unter www.gemeinde-sylt.de/stolpersteine/.
Geschrieben von: Redaktion / veröffentlicht am: 17.05.2024