Die Manfred Degen Kolumne
… love me, Tender… #12/2025

Vergangene Woche sah ich am Strand einen Mann, der bei quasi Windstille versuchte, einen Drachen steigen zu lassen. Seine Frau musste das Plastik-Ungetüm halten und hochwerfen, als er dann mit seinem Leinen-Gewickel wie ein Idiot hin und her rannte, um Wind zu imitieren. Letztendlich schleifte er das alberne Kinderspielzeug dann über den Strand. Es war im hohen Maße würdelos, lächerlich geradezu.
Aber hat nicht jeder in seiner Biografie so eine peinliche Situation, bei deren
Erinnerung einem der kalte Schweiß auf die Stirn tritt?
Ich hatte vor Jahren mal eine Radtour nach List gemacht. Auf der Rückfahrt meinte ich, dass der Sattel doch nicht optimal eingestellt sei. Also versuchte ich, das mit meinem Bordwerkzeug zu korrigieren. Dabei brach der Sattel-
bolzen. Nichts ging mehr. Ich musste im Stehen weiterfahren. Kam mir jemand entgegen, hielt ich den herumschlackenden Sattel mit dem Hintern fest, lächelte und täuschte Normalität vor. Der Weg von List nach Hause wurde immer länger. Ich hatte am Ende Muskelkater in den Morsbacken. Und meine Frau, die hinter mir fuhr, hatte Lachmuskelkater. Ich sach‘ mal so: Solche Erinnerungen können Partnerschaften zusammen schweißen. Oder sprengen.
*
Ich bin in dem Glauben aufgewachsen, dass Rod Steward, wenn er auf Tournee war, Weiber flachlegte, Hotelzimmer zertrümmerte und sich die Stimme und das Hirn wegsoff. So sieht er aus, so hört er sich an. Dann las ich in der „Süddeutschen“, dass er nach den Konzerten in seinem Hotelzimmer saß und Bahnhofsgebäude und Brücken und Tunnels für seine Modelleisenbahn zusammenklebte.
Statt mit seinen Groupies Schampus aus Pumps zu saufen, hat er Oberleitungen für seine Miniaturwelt verlötet. Und wenn er auf der Bühne „I am sailing“ und „‘cross the sea“ und „to be free“ sang, hat er bestimmt von einer kleinen Dampflokomotive geträumt (…love me, Tender…). Lieber Rod Steward – Kollege – wir Eisenbahner werden immer unterschätzt…
*
Das Grauen wohnt in der Nachbarschaft. „Der Spiegel“ hat ermittelt, dass in Deutschland so um und bei 14,7
Millionen Katzen leben. Das bedeutet, dass wenn jede Katze pro Jahr zehn Vögel meuchelt, 150 Millionen Amseln, Nachtigallen, Rotkehlchen und Singdrosseln im Morgengrauen zerfetzt werden.
Der Rest fällt womöglich tot, verhungert vom Himmel, weil die Nahrung der Vögel, die Insekten, auf die Windschutzscheiben unserer Autos klatschten.
Der Vogelgesang verschwindet, kein
Tirilieren mehr am Morgen – bleierne Stille legt sich übers Land.
Die Dohlen und die Saatkrähen verbreiten sich dagegen. Sie gehören ja zur Gattung der Singvögel. Dank dafür allen Naturschutzverbänden.
Krähen allerdings plündern die Nester „richtiger“ Singvögel. Egal – Pech gehabt. Die können doch – so der Nabu gönnerhaft- „nachbrüten“.
*
Immer wieder kommt die Forderung, die Altersgrenze für die aktive Wahl zum Deutschen Bundestag auf 16 Jahre abzusenken. Warum denn nicht? Vielleicht gleich auf 14 oder – noch besser auf zwölf Jahre.
Parallel könnte man ja den Menschen, die statistisch die nächste Wahlperiode sowieso nicht überleben werden, das Wahlrecht suspendieren. Das wäre bei den Männern alle über 78,4 und bei den Frauen alle über 84,4. Dann jedoch wäre ich für eine Wahlpflicht! Und all den Kiddys, die bis 18:00 Uhr nicht frisch geduscht im Wahllokal aufgetaucht sind, wird dann ab sofort das Instagram- und X-Profil gelöscht.
Nachtrag: Mit 14 sind die Kleinen ja auch schon Religionsmündig und dürfen entscheiden, ob es den Lieben Gott gibt oder nicht. Eine schwere Entscheidung. An solch einem Tag liegt man sicher noch lange wach.
Geschrieben von: Manfred Degen / veröffentlicht am: 05.06.2025