Erkennbarer als vor sechs Jahren
Im Gespräch mit Nikolas Häckel
Foto: Häckel Nikolas Häckel trat im Frühjahr seine zweite Amtszeit als Bürgermeister der Gemeinde Sylt an. Die Redaktion der Sylter Zeitung kam mit ihm ins Gespräch.Gemeinde Sylt. Das Ende der Pandemie ist auch auf Sylt absehbar, nach quälenden eineinhalb Jahren, in denen das öffentliche Leben zeitweise vollständig abgeschaltet war, stehen die Zeichen jetzt auf eine langsame Rückkehr zum gewohnten Leben. Die Menschen können wieder essen gehen und tanzen, ins Kino oder zum Bummel durch die Geschäfte. Und im Rathaus gilt die 3G-Regel, Mitarbeiter und Besucher dürfen ohne Maske über die Flure gehen und in die Meetings. Die neue alte Freiheit kehrt zurück – die Zeit wendet sich wieder zum Besseren. Die Redaktion der Sylter Zeitung kam jetzt mit Bürgermeister Nikolas Häckel ins Gespräch, der vor fast einem halben Jahr in seine zweite Amtszeit gestartet ist. Die Fragen stellte unser Redaktionsmitglied Heiko Wiegand.
Herr Häckel, Sie sind am 1. Mai in Ihre zweite Amtszeit gestartet. Wenn Sie die beiden Starts, den in Ihre erste Amtszeit im Jahr 2015, mit dem in Ihre zweite vor wenigen Monaten vergleichen – wo sehen Sie Unterschiede?
Da gibt es tatsächlich Unterschiede, ganz klar. In meine ersten sechs Jahre im Rathaus bin ich deutlich moderater gestartet, ich wollte nicht polariseren, sondern verbinden. Es ging um Ausgleich. Heute, nach einem langen Bürgermeisterwahlkampf, geht es für mich nicht mehr nur darum, moderat aufzutreten und zu verbinden, sondern klarer meine Meinung, meine persönliche Haltung zu sagen als 2015, nicht immer nur zu vermitteln, sondern auch mal zu polarisieren. Ich bin mit meinen Auffassungen heute sicherlich erkennbarer als vor sechs Jahren.
Wenn Sie den Bürgermeisterwahlkampf ansprechen, was hat den aus 2020/2021 von Ihrem ersten Wahlkampf unterschieden?
Der aktuelle Bürgermeisterwahlkampf war deutlich stärker und länger. Eine Partei hat einen langen Anlauf genommen. Es war ein Wahlkampf, der erstmals nicht vorrangig auf der Straße und im persönlichen Gespräch stattfand, sondern pandemiebedingt im Netz. Und ich war im zweiten Wahlkampf in einer anderen Position als im ersten – ich war ja schon im Amt…
…und wurden somit mit Ihrer Tätigkeit als Bürgermeister konfrontiert…
… Ja. In den Netzwerken war viel los. Es war alles viel umfänglicher und konkreter als im letzten Wahlkampf. Und niemand hatte ja Erfahrungen mit einem digitalen Wahlkampf – vieles war neu.
Jetzt, nachdem ein harter Wahlkampf seit fast einem halben Jahr zu Ende ist, den Sie klar gegen Clemens Raab, Ihren Gegenkandidaten von der CDU, für sich entschieden haben: Haben sich denn die Wogen zwischen Ihnen und der CDU wieder ein wenig geglättet? Ist wieder so etwas wie Vertrauen entstanden?
Vertrauen ist ein großes Wort. Ich würde eher sagen, es gibt wieder eine Arbeitsebene. Aber die gab es ja immer. Der neue Bürgervorsteher hat seine Kooperation mit mir angekündigt. Er möchte verbinden. Ich habe mit Frank Zahel ein Gegenüber, der ein politisches Miteinander möchte. Das ist vor dem Hintergrund anstehender Wahlen – im nächsten Jahr wählt das Land und im Jahr darauf ist Kommunalwahl – sicher ein gutes Zeichen.
Wie ist Ihr derzeitiges Verhältnis zu den kleineren Parteien in der Gemeindevertretung?
Ich lade zu Sitzungen mit den Fraktionsvorsitzenden ein, es gibt regelmäßige Gespräch mit dem Bürgervorsteher und mit dem Hauptausschussvorsitzenden, es gibt nun nach Corona wieder Dienstversammlungen mit den Bürgermeistern der Insel, aber auch in der Coronaphase fast wöchentlich Gespräche mit den Inselbürgermeistern, mit den Inseltouristikern und Moritz Luft von der SMG. Aber: Die Impulse aus den Fraktionen sind weiterhin sehr zurückhaltend. Wir müssen jetzt gemeinsam den Weg aus der Pandemie finden. Das waren fast zwei Jahre! Nun geht es darum, die demokratischen Spielregeln wieder aufzunehmen. Da sind wir dabei.
Gibt es denn Anzeichen, dass der Weg langsam in die Normalität zurück führt?
Die Gremien tagen nun wieder regelmäßig, die SWG hat das Thema Dauerwohnraum für die Gemeindevertretung wieder aufgenommen.
Ein anderes Thema: Es gibt für die Gemeinde Sylt auch zu Beginn des vierten Quartals keinen genehmigten Haushalt. Können Sie prognostizieren, ob die Gemeinde bis Weihnachten einen haben wird?
Ich werde keine Prognosen mehr abgeben, dazu ist das Thems zu komplex und dynamisch. Wir stehen hier in der Verwaltung nach wie vor vor riesigen Problemen. Es gibt weiter über viele Grundstücke keine Zuordnungen, viele Daten aus Grundbüchern müssen aufgearbeitet werden. Es ist weiterhin vieles nicht da. Wir müssen sehr weit zurück gehen in der Historie. Um es mit einem Bild zu erklären: Wenn man für eine Familie eine Liste des Eigentums aufstellen soll, wird es schon schwer genug. Wenn dann aber auch noch aufgestellt werden soll, was alles dem Bruder gehört, dem Cousin und am Ende der Oma – und wenn dann die Frage zu beantworten ist, was eigentlich das Teeservice der Urgroßmutter genau gekostet hat und heute wert ist, dann kann man sich vielleicht vorstellen, vor welcher Arbeit wir hier stehen – und vor welchen Aufgaben.
Aber die Kenntnisse über die Versäumnisse aus der Vergangenheit sind doch nicht neu…
…Seitdem ich hier 2015 im Rathaus angefangen habe, versuchen wir, die vorhandenen Daten zu ordnen und Kataster zu erstellen – eine Herkulesaufgabe.
Es gibt also keine Perspektive für einen baldigen Haushalt?
Nach Ende der Ferien werden wir eine Rückmeldung des Landrats bekommen, mit dem wir in engem Kontakt stehen. In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass wir keine arme Gemeinde sind. Wir können sämtliche freiwilligen Leistungen bezahlen. Und trotz der faktischen Haushaltssperre aus Husum dürfen wir die Kreisumlage pünktlich bezahlen. Das ist doch auch eine Nachricht, oder?
Ein letztes Thema, Herr Häckel: Nachdem Sie im Frühjahr mit deutlicher Mehrheit in Ihre zweite Amtszeit gewählt wurden, haben Sie jetzt nicht den Rückhalt und die Kraft, noch einmal die Initiative für eine Gesamtfusion der Inselgemeinden hin zu einer Großgemeinde Sylt zu starten? Auf Sylt leben gerade mal etwa 17.500 Menschen mit Erstwohnsitz. Und das in fünf Gemeinden mit jeweils eigenen Strukturen? Ist das nicht ein Anachronismus, wo es doch eigentlich um schlankere Strukturen für die Zukunft geht?
Ich bin ja schon zufrieden, wenn sich die vier Gemeinden des Amtes nicht künftig von einer anderen Verwaltung betreuen lassen, weit ab von der Insel. Die Fusion des Jahres 2009, als Westerland, Sylt-Ost und Rantum zusammen kamen, ist heute weder politisch noch verwaltungsintern vollständig beendet.
Um es klar zu sagen: Der Impuls dazu muss aus der Bevölkerung und der Politik kommen. Welche politischen Kräfte stehen denn für eine Einheit der Insel?
Die SPD…
schmunzelt
Was wäre denn eine Grundlage?
Es muss erstmal eine politische Kommunikationsebene gefunden werden, auf der sich alle wiederfinden. Nichtmal die gibt es! Und wenn es nur ein Thing wäre, wo sich alle halbe Jahre einmal alle Gemeindevertreter der Insel treffen. Die Friesen sind streitbar. Der Weg in eine gemeinsame Zukunft ist vor diesem Hintergrund sicher kein leichter.
/ veröffentlicht am: 21.10.2021