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Die Manfred Degen Kolumne

Hochleistungs-Smalltalk #25/2025

Foto: Archiv

Smalltalk ist oft nicht leicht – ist eher schwer. Religion scheidet aus – wer mag denn schon seinen schlichten Kinderglauben offenbaren?
Und das eigene Sexualleben ist entweder öde und langweilig oder unsagbar. Ähnlich verhält es sich mit dem Geld. Was geht‘s die anderen an?

Auch spricht ein Mann nicht über Krankheiten. Gut, über Zerrungen beim Golfspielen, da kann man sich schon mal auslassen. Auch ist seit Neuestem das Wetter als Smalltalk-Thema out, denn sofort kommt dein Gegenüber mit „Klima“, weil die Leute, im Gegensatz zu uns, den Unterschied nicht kennen. Und bei „Klima“ wird man ja auch gleich auf sein Auto angequatscht. Und das ist oft so problematisch wie Religion und Sex.

Wer nach Sylt kommt, sei es als Tourist oder frischgebackener Zweitwohnungsbesitzer, kann sich durch gedankenloses Geplappere rasend schnell ins soziale Abseits katapultieren. Um dies zu vermeiden, hier einige Ratschläge zur reibungslosen Kommunikation mit Einheimischen:
Stichwort Architektur: „Die Strohdachhäuser auf der Insel sind eine Katastrophe. Da wimmelt es doch von Ungeziefer. Ökologisch wertvoller sind die Appartementhäuser im Westerländer Kurviertel. Imposant, welche gestalterischen Kunstwerke mit Plattenbeton möglich sind.“
Stichwort Mobilität: „Ich finde es vernünftig, dass Sylter aufs Festland umgesiedelt werden, um Urlaubern Platz zu machen. Für die ist es kaum zumutbar, morgens um sechs oder sieben Uhr durch Türgeklapper geweckt zu werden, nur weil der Nachbar zur Arbeit fährt. Und überhaupt – wozu Pkws für Einheimische? Die sollen den Bus nehmen – der fährt doch sowieso!“

Stichwort Kurtaxe: Das Gemosere über die sechs Euro Abgabe pro Tag ist folgendermaßen abzuschmettern: „Pah, das ist doch lachhaft. Schließlich wird davon das Kurorchester entlohnt und dazu die Rettungsschwimmer, die die Kunst der Mund-zu-Mund-Beatmung auch gerne in der Freizeit anwenden. Außerdem wird der Strand jeden Morgen von Seehundkadavern, Einwegspritzen und gebrauchten Kondomen gereinigt. Da wäre sogar eine Kurabgabe von zehn, zwölf oder auch 19 Euro angemessen.“

Stichwort Nachwuchs: „Der Wegfall der Entbindungsstation auf Sylt ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dadurch wird sich die demographische Kurve zügig abflachen, sodass Kindergärten und Schulen bald wegplaniert und dort neue Parkplätze für die Geländewagen aus Hamburg, München und Düsseldorf gebaut werden können – und natürlich auch für die Sylter.“

Stichwort Umwelt: „Es gibt auf Sylt zu viel Naturschutzgebiete. Diese unverbaute Landschaft ist für das Auge extrem ermüdend. Einige schöne Villen mitten in den Heidereservaten würden sich optisch sicher hervorragend machen. Ich mache mir echt Sorgen, dass die Vermittler solcher Objekte in eine Notlage geraten. Dadurch würde die Gewerbesteuer wegbrechen und unser Rathaus müsste den Gürtel enger schnallen.“

Tatsächlich, es fehlt hier auf Sylt an vielem. Keine russischen Oligarchen, keine amerikanischen Tech-Milliardäre und keine arabischen Scheichs.

Hier urlauben nur Kreissparkassen-Filialleiter, Waldorfschullehrer oder Bibliothekarinnen. Das reicht nicht – da müssen wir uns für die Zukunft besser aufstellen. Dies soll ein Anfang sein.


Geschrieben von: Manfred Degen / veröffentlicht am: 20.09.2025
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