Die Manfred Degen Kolumne
Hallig Gröde, der Mittelpunkt der Welt #09/2025

Alle vier Jahre tritt ein kleiner Ort Nordfrieslands in das Scheinwerferlicht der Welt-Öffentlichkeit:
„Guten Abend, meine Damen und Herren, hier ist das ARD- Wahlstudio in Berlin. Es ist Bundestags-Wahlsonntag, es ist genau 18.03 Uhr, alle Wahllokale in Deutschland haben geschlossen und schon liegt uns hier das erste endgültige Wahlergebnis vor:
Wir schalten um nach Hallig Gröde, in das Wohnzimmer von Bürgermeister Volker Mommsen, gleichzeitig Wahllokal. Hallo Herr Mommsen.“
„Jo, hier ist Volker Mommsen. Ich bin der Bürgermeister von Hallig Gröde. 18:03 Uhr, jo, wir sind spät dran, aber jetzt ist alles gut.
Wir haben auf Gröde 13 Einwohner, davon sind neun wahlberechtigt. Fünf Stimmen gehen an die CDU, das ist nun mal so, und zwei Stimmen an die Sozialdemokraten.
(…und von hier an versabbelt sich der Bürgermeister ein wenig…)
Ach ja, wir haben ein neues Lehrer Ehepaar – Hauke Hansen und seine Frau Rosa.
Haucke ist netten Kerl, ein Boot hat er nicht, aber ein Lasten-Fahrrad. Ich sagte gleich, als sie hier einzogen: „Hauke, das wird schwer mit’m Lastenfahrrad auf Hallig Gröde. Da kommst du ja gar nicht aus dem ersten Gang raus“.
Rosa, siene Olsch, kam gleich zu mir und sagte, sie wolle Gleichstellungsbeauftragte auf Gröde werden. Ich meinte: „Rosa, lass’ gut sein, das mache ich mit, das kann ich besser als du.“
Da hat sie sich dann gleich beim Landrat in Husum beschwert und jetzt sitzt sie als neue Gleichstellungs-Tussi bei uns in der Gemeindevertretung und macht immer ein ganz ernstes Gesicht.
Vergangenes Jahr brauchten wir einen neuen Sielwärter und haben in der Gemeindevertretung eine Stellenanzeige formuliert: „Sielwärter auf Gröde gesucht“. Da meinte Rosa aber: „…männlich – weiblich – divers.“Ich sagte: „Nein Rosa, wir brauchen nur einen“.
Doch Rosa meinte: „Nein, das ist wichtig, damit die anderen Geschlechter nicht diskriminiert werden.“
Da rutschte es mir raus: „…dann kann es also sein, dass Olivia Jones aus Hamburg hier Sielwärter wird.“
„Ja,“ meinte sie dann, „aber richtig heißt es ‚Sielwärter:In“
„Na gut“, meinte ich, „…jeden Tag Kostümball – warum nicht…?“
Na ja, dann hat den Posten mein Neffe Broder Brodersen von Hooge gekriegt. Drei Telefonate von mir mit’m Amt und dann war das Ding eingetütet.
Ach ja, die Wahl:
Die letzten beiden Stimmen gingen an die Grünen – also von unsern Pastor und sien Fru. Die waren im vergangenen Jahr zum evangelischen Kirchentag. Als sie zurückkamen, hatte sie lila eingefärbte Haare.
Ich meinte skeptisch: „…das kann nicht gut gehen“. Und dann kam sie auch gleich bei mir angewackelt und sagte, ich solle wegen CO2 nicht mehr so viel mit‘m Trecker fahren. Ich könnte stattdessen doch das Lastenfahrrad von Hauke nehmen…
Ich sagte: „Mechthild, kümmere du dich um deine Konfirmanden und nicht um Dinge, von denen du nix verstehst.“
Daraufhin meinte sie: „…wir haben diese Welt und auch die Hallig nur von unseren Kindern geliehen“.
Ja, und – so drohte sie weiter – wenn ich wieder mit dem Trecker fahren würde, würde sie sich aus Protest am Hallig-Hafen festkleben.
Ich meinte: „…wenn du das machst, rufe ich beim Bischof an. Dann wirst du exhuminiert. Daraufhin meinte sie: „Das heißt exkommuniziert…!
Ich meinte: „Das geht beides – nur die Reihenfolge muss stimmen“
Aber jetzt habe ich mich total vertütelt. Es geht hier ja um die Wahl.
Also Grüße nach Berlin und tschüss…“
Geschrieben von: Redaktion / veröffentlicht am: 03.05.2025