Die Manfred Degen Kolumne
Gefährliche Jobs #20/2025

Jedes Jahr überraschen uns die deutschen Versicherer mit der Auflistung der gefährlichsten Berufe. Vieles auf der Liste ist uns bekannt, einiges aber versetzt uns immer wieder ins Staunen. Dass der Beruf des Dachdeckers schwer ist und oft Berufsunfähigkeit im Alter einsetzt, ist nachvollziehbar. Ähnliches gilt für die Tätigkeit des Gleitschirm-Testers oder Sprengmeisters. Auch die Partnerinnen von Messerwurf-Artisten im Zirkus erleben schon mal Momente, wo sie lieber Wattwanderungen oder anderes machen würden. Bei diesen Berufen fliegt man, wenn‘s mal dumm läuft, im Handumdrehen aus der Statistik.
Dass allerdings Kellner ganz oben gelistet werden, erstaunt zunächst. Begründet wird das mit Unfällen beim Tranchieren und Flambieren. Irgendwie logisch. Alleine bei uns auf Sylt sollen ja jedes Jahr mehrere Kellner, Oberkellner oder Gäste beim Zerlegen von Martinsgänsen aufgeschlitzt werden. Aber so ist das in der Erlebnisgastronomie: Überlebende an den Nebentischen sollen schließlich was zum Erzählen haben, wenn sie wieder daheim sind.
Der Beruf des Bodyguards ist für die Versicherer nur schwer einzuordnen. Übst du den Job bei einem tschetschenischen Regionalfürsten aus oder bist du für einen kurdischen Drogenbaron verantwortlich, dürfte dein Gefährdungsgrad knapp über Dachdecker liegen.
Musst du jedoch auf Justin Bieber oder Bill Kaulitz aufpassen, wäre die größte Gefahr, mit Teddys oder Dessous beworfen zu werden, was die Versicherungsbeiträge eher moderat ausfallen lassen würde. Ebenso verhält es sich mit Krankenschwestern. All die tapferen Frauen, die das ganze Berufsleben adipöse Patienten umbetten und mit spitzen Spritzen hantieren, melden sich zu Recht schon mal vorzeitig bei der Berufsunfähigkeits-Versicherung. Die Schwestern allerdings, die sich rechtzeitig einen knackigen Assistenzarzt greifen und dann irgendwann nur noch die Kinder zum Ballettunterricht, zur Klavierstunde oder zum Tennisplatz fahren, verfälschen die Gefährdungsstatistik ihres Berufes deutlich.
Auch der Steward im Flugzeug muss recht hohe Beiträge bezahlen. Das verstehe ich nicht. Ab und zu mal ein Kopfkissen aufschütteln, Rotwein nachschenken oder tuntig die Augen
verrollen, wenn ein Passagier mal eine blöde Frage stellt, kann ja nicht der Grund sein. Und wenn die Maschine doch mal abschmiert, gibt’s wenigstens noch einen „Brennpunkt“ nach der
Tagesschau.
Hochseefischer, Baumfäller und Großwildjäger sorgen mit der Ausübung ihres Berufes gleichzeitig für deren Abschaffung, denn irgendwann sind die Meere leergefischt, alle Bäume gefällt und auch das letzte Nashorn abgeknallt. Prima, das dürfte die Versicherungsbeiträge für alle senken.
Die sichersten Berufe sind Notar, Philosoph, Seidenmaler und Oberstaatsanwalt. Ärgerlich, denn so zahlen die Besserverdiener die niedrigsten Beiträge. Außerdem, das sagt uns eine andere
Statistik, haben die Inhaber dieser Berufe die höchste Lebenserwartung.
Qualitätskontrolleure bei der Marschbahn laufen eher Gefahr, dass ihr Job irgendwann eingespart, ihre Tätigkeit eingestellt wird – wegen nicht nach-
lassender, gleichbleibend hoher Qualität. Hm – wäre das dann tragisch oder eher schön…? Kolumnisten werden von den Versicherungen zwischen Philosophen und Seidenmalern angesiedelt. Einerseits ist das richtig. Wenn man allerdings berücksichtigt, wie viele Bandscheibenvorfälle zu beklagen sind, wenn wir täglich die Kisten mit empörten Leserbriefen in den sechsten Stock hoch schleppen, wären wir doch eher zwischen Gleitschirm-Tester, Sprengmeister und Dachdecker anzusiedeln.
Geschrieben von: Manfred Degen / veröffentlicht am: 08.08.2025