Vermummt durch die Nacht
Die Tradition des Maskenlaufens
Foto: Privat Gern kommentieren die maskierten Besucher das Dorfgeschehen in launigen Versen.Morsum. Wenn am letzten Abend des Jahres plötzlich vermummte Gestalten vor der Haustür stehen, gibt es keinen Grund zur Sorge. Diese unerwarteten Gäste wollen nichts entwenden, sondern etwas vortragen: Maskenlaufen ist eine lebendige Tradition, die sich heute fast ausschließlich in Morsum erhalten hat. Am Silvesterabend ziehen kleine Gruppen maskiert von Haus zu Haus und präsentieren humorvolle Verse, die sich oft auf die Geschehnisse im Dorf beziehen. Als Dankeschön gibt es Süßigkeiten für die jüngeren Läufer, während die Erwachsenen mit einem Glas Schnaps belohnt werden. Allerdings hat sich auch in Morsum die Zahl der Maskenläufer in den letzten Jahren deutlich verringert. Früher sah es noch ganz anders aus: „Bis zu hundert Menschen in 30 bis 40 Gruppen waren unterwegs. In Liedern, Gedichten und Sketchen – oft auch auf Friesisch – nahmen sie das Dorfleben des vergangenen Jahres aufs Korn. Wer viel Besuch bekam, konnte das als Auszeichnung werten. Das Maskenlaufen zog sich manchmal bis tief in die Nacht“, hielt das Nordfriesische Institut im Jahr 2000 fest.
Die außergewöhnliche Sylter Tradition weckte sogar das Interesse der Wochenzeitung ZEIT, die vor einigen Jahren über das Brauchtum berichtete. Dabei wurde auch der Rückgang der Teilnehmerzahlen thematisiert: „Früher sollen es an die 300 Maskenläufer gewesen sein. Doch seit Linienbusse die Dorfjugend an Silvester kostenlos zu Partys nach Westerland bringen, zieht kaum noch jemand zu Fuß von Tür zu Tür.“ Trotzdem gibt es engagierte Bewahrer dieser Tradition. Eine von ihnen ist Erika Hansen, für die Silvester bereits am 30. Dezember beginnt. Dann steht sie in der Küche, bereitet große Mengen Kartoffelsalat zu, füllt den Kühlschrank mit Würstchen und stellt Rumflaschen bereit. Kein Wunder, denn ihr über 200 Jahre altes Friesenhaus an der Morsumer Hauptstraße ist eine beliebte Anlaufstelle für die Maskenläufer.
Erika Hansen ist mit dem Brauchtum aufgewachsen. „Mein Vater ging selbst maskiert los. Wenn meine Mutter die Kühe gemolken hatte, saß der Rest der Familie in der Stube und wartete gespannt auf die ersten Läufer.“ Mit elf Jahren war sie dann erstmals gemeinsam mit ihren vier Geschwistern unterwegs.
Ein Silvester ohne Maskenläufer ist für Erika Hansen kaum vorstellbar – auch wenn sie manchmal gerne mit ihrer Familie verreisen würde. „Aber dann würde es vor meiner Tür wohl viele lange Gesichter geben. Das kann ich doch nicht zulassen“, sagt sie lachend.
Wie kreativ die Maskenläufer sind, zeigen Verse, die vor einigen Jahren vorgetragen wurden:
Hört her, Ihr lieben Leute!
Die Nacht ist nicht zum Schlafen da!
Darum erzähl’n wir heute,
was in Morsum so geschah.
Beim Ringreiten, kann es sein?
Gab’s da zu viel Rum?
Sigrid ritt in Schnur hinein –
prompt fiel der Galgen um.
Pastor ist fünf Jahre hier,
nun bleibt er offiziell:
Schäfchen gratulieren dir,
die Zeit vergeht so schnell.
SPAR-Markt jetzt in Frauenhand, Anja ist der Boss.
Morsum baut eben nicht auf Sand, jetzt geht’s erst richtig los.
In Morsum gibt’s jetzt Afrika,
und zwar gleich hinterm Deich.
Es stehen 15 Strauße da und machen die Besitzer reich.
Das war’s, Ihr lieben Leute,
was in Morsum so geschah.
Vier alle sagen heute:
Ein frohes, neues Jaaaahr!
Geschrieben von: Redaktion / veröffentlicht am: 28.12.2024