Frauenberatung unterstützt gegen Gewalt
Die schockierende Wirklichkeit

Insel Sylt. Es sind schockierende Zahlen, die das Bundeskriminalamt am gestrigen Dienstag vorstellte: Die Zahl der polizeilich registrierten Fälle häuslicher Gewalt in Deutschland ist im Jahr 2022 deutlich gestiegen. Die Behörden zählten im vergangenen Jahr 157.550 Fälle von Gewalt in Partnerschaften. 80 Prozent der Betroffenen waren Frauen, 78 Prozent der Tatverdächtigen waren Männer. 40 Prozent der Täter waren Ex-Partner, 60 Prozent aktuelle Partner. Statistisch gesehen wird in Deutschland alle 45 Minuten eine Frau Opfer vollendeter oder versuchter gefährlicher Körperverletzung, und jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch Gewalt ihres Partners oder Ex-Partners. Um es deutlich zu sagen: Diese aktuellen Zahlen dokumentieren ausschließlich häusliche Gewalt.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen hat aber noch zahlreiche andere Gesichter und geschieht auch an anderen Orten. Viele Frauen werden in ihrem Leben mit Gewalt konfrontiert oder erleben sie – egal, woher sie kommen, wie alt sie sind oder welchen Beruf sie haben. Gewalt geschieht im eigenen Zuhause, an öffentlichen Orten, am Arbeitsplatz.
Allerdings gehen die Experten davon aus, dass das sogenannte Dunkelfeld bei häuslicher Gewalt, also Taten, die aus Angst oder Scham nicht zur Anzeige gebracht werden, um ein Vielfaches höher liegt.
Wie schockierend die Wirklichkeit oft aussieht, wissen Stefanie Warnecke und Bea Siegfriedt von der „Frauenberatung und Notruf Nordfriesland“ zu berichten, die ihre Standorte in Niebüll und Husum haben. In die Sprechstunde kommen Mädchen und Frauen ab 16 Jahren in Krisensituationen, die von Problemen in der Partnerschaft bis hin zu Gewalt, Stalking oder Missbrauch reichen können. Die beiden Frauen beraten, begleiten und informieren Betroffene und deren Angehörige bei häuslicher Gewalt – und das kostenfrei, unbürokratisch und vertraulich. Wichtig zu wissen: Die Frauenberatungsstelle und Notruf NF ist im Kreis Nordfriesland die einzige im Kreis Nordfriesland anerkannte Beratungsstelle bei häuslicher Gewalt. „Gewalt gegen Frauen ist ein gesellschaftliches und strukturelles Problem“, stellen die beiden Frauen zu Beginn klar. Das heißt, dass Gewalt gegen Frauen keine Privatsache ist, sondern uns alle angeht. Doch wann genau beginnt Gewalt? Der Europarat hat 2011 in einem Übereinkommen zur „Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ eine umfassende Definition vorgelegt. Zusammengefasst und mit einfachen Worten: Niemand darf eine Frau gezielt körperlich oder seelisch verletzen, zu Sex zwingen, belästigen, beschimpfen, bedrohen, demütigen, quälen, vergewaltigen oder schlagen. Jede Frau hat das Recht, jederzeit selbst zu bestimmen, wohin sie geht, mit wem sie sich trifft oder spricht. Wenn eine Frau deutlich macht, dass sie ein gewalttätiges Verhalten nicht toleriert, darf sie nicht mit Anrufen, E-Mails oder Nachrichten terrorisiert oder persönlich verfolgt werden. Auch in nahen privaten Beziehungen, in Familien, Ehen und Partnerschaften sind solche Handlungen verboten. Viele Frauen, die in Gewaltbeziehungen leben, erleben manchmal jahrzehntelang ein Martyrium, eine Spirale aus Gewalt und Demütigungen. „Diese Beziehungen haben eine ganz spezielle Dynamik. Es geht um Macht und Kontrolle. Dazu kommt, dass die immer noch üblichen patriarchalischen Strukturen diese Gewalt befördern“, so Stefanie Warnecke.
Die Betroffene erlebt Ohnmacht, Hoffnungslosigkeit und das Gefühl, die einzige Frau zu sein, die mit Gewalt konfrontiert ist. „Es ist wichtig, sich in einer solchen Situation professionelle Hilfe zu holen“, sagen die beiden Beraterinnen. „Diese Gewaltspirale, in der sich die Frauen befinden, kostet unheimlich viel Kraft. Und sich allein daraus zu befreien, ist sehr schwer. Da braucht es Unterstützung, den wir in der Beratung geben können.“ Gemeinsam mit den Frauen werden Möglichkeiten und Wege gefunden, aus der Dynamik auszubrechen. „Wir zeigen Optionen auf und beraten die Klientinnen, damit sie für sich selbstwirksam entscheiden können. Jeder Fall wird individuell begleitet.
Wer Zeuge von häuslicher Gewalt bzw. Gewalt gegen Frauen wird, der kann sich ebenfalls an die Frauenberatung und Notruf Nordfriesland wenden. „Jeder kann in die Situation kommen, dass er von Gewalt betroffen ist. Wegschauen ist keine Lösung.“ Um einen Termin mit der Frauenberatung zu vereinbaren, können Frauen Kontakt aufnehmen: Telefon 04661 942688 und niebuell@frauennotruf-nf.de. Darüber hinaus gibt ein kostenloses Hilfetelefon, das Frauen anonym und rund um die Uhr in 18 Sprachen berät:
116 016 oder 08000 116016.
Geschrieben von: Nicole Lütke / veröffentlicht am: 11.07.2023