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Zweiter Teil unserer Geschichte des Sylter Fuballs

Der Traum vom großen Fußball auf Sylt

Foto: Alex Lenz

Sylt. Eigentlich ist das Kapitel „FC Sylt“ gar keine Geschichte, die mit dem Sylter Fußball zu tun hat. Aber sie ist bemerkenswert – wegen der Protagonisten, der kleinen Skandale drumherum und auch wegen der tatsächlichen Auswirkungen auf den Inselfußball. Fragt man die Menschen, die ab 2004 die Entwicklung beobachtet hatten, sind sich die meisten einig: Der FC Sylt war kein Sylter Verein und hat dem Image der Insel nicht gut getan.

Der Initiator des Vereins, der über ein halbes Jahrzehnt die Fußballfans zu Streitgesprächen animierte, war Volker Koppelt. Ein Sylter Unternehmer. Streitbar. Ehrgeizig. Geradeaus. Eine explosive Mischung, die auf der Insel nicht bei allen gut ankam. Aber er war und ist auch ein Fußballfanatiker. Noch heute sieht man das Aufblitzen in seinen Augen, wenn er von seinem FC Sylt spricht. Und immer noch brennt er für seinen ehemaligen Verein.
„Vieles, was in der Presse stand, sei nicht unbedingt immer richtig gewesen“, sagte er uns im Interview.

Volker Koppelt war bereits Ende der 60er Jahre im Förderkreis um Dr. Püten Kraatz aktiv und wusste, wie man ein Team zusammenstellt, das sich durch die unteren Ligen fräst wie ein heißes Messer durch Butter. Ab der Saison 2003/2004 war er beim SC Norddörfer erster Vorsitzender und Mäzen. Mit seinem Geld und neuen Spielern stieg die erste Mannschaft des SC Norddörfer nacheinander von der Kreisklasse B über die Kreisklasse A bis in die Kreisliga auf. Ab hier machte der SCN dann bundesweit Schlagzeilen, denn Maik Wilde und Sascha Hagen wurden verpflichtet – Zweitliga-Routiniers, die nun auf Nordfrieslands Sportplätzen auf Punktejagd gingen. Es folgten weitere Oberliga- und Schleswig-Holstein-Liga-Spieler. Der Aufstieg in die Bezirksliga war unter diesen Umständen kein Wunder. Nach dem Aufstieg im Folgejahr in die Bezirksoberliga kam es zum Streit im Vorstand, und Koppelt packte Geld und einen Teil der Spieler ein. Mit Konsequenzen für den SC Norddörfer, der in der nächsten Saison absteigen sollte und in den Folgejahren keine Mannschaften mehr im Herrenbereich melden konnte.

Koppelt dagegen zog ins 80 km entfernte Haddeby. Seine Idee, den FC Sylt zu gründen, kam bei den Entscheidungsträgern im Sylter Sport nicht gut an. Also begann er, das „System Koppelt“ beim FC Haddeby zu installieren. Es wurden Spieler wie Marcel Rath verpflichtet, der mit dem FC St. Pauli Bundesligaluft geschnuppert hatte. Für ihn und viele andere Akteure aus Regional- oder Oberligen hieß es nun siebte Liga. Nicht Bayern München oder Altona 93 hießen die Gegner, sondern SG Eiche-Nübel-Schaalby oder TSV Bollingstedt Gammellund.

Die gezahlten Spielergehälter sorgten für Gesprächsstoff. Der Hopp von der Insel (Hopp war der Hauptsponsor des Bundesligisten TSG Hoffenheim) hieß es im Boulevard. Einige Insider sprachen von Profigehältern, während Volker Koppelt dies relativierte. Natürlich spielten Rath oder Wilde nicht für ein Taschengeld. Doch laut Koppelt ging es nicht um das große Geld, sondern um das Projekt. Und das entwickelte sich.

In der ersten Saison stieg die Legionärstruppe auf. Zusammen trainieren musste man dafür nicht sonderlich viel. Dies erinnerte an das Team des TSV Westerland, dessen Spieler zum Teil ebenfalls auf dem Festland trainierten. Mit dem Unterschied, dass beim FC Haddeby kaum jemand aus dem Hauptverein spielte, der dort in der Jugend gekickt hatte. In der Aufstiegssaison, in deren Verlauf ein unglaubliches Torverhältnis von 223:10 erzielt wurde, gründete Koppelt den FC Sylt. Seine Vision: In die Regionalliga aufsteigen und mit dem FC Sylt im Sylt-Stadion spielen.

Doch die Sylter Vereine wehrten sich mit aller Macht gegen einen Austragungsort auf der Insel. Das Sylt-Stadion wurde zur No-Go-Area für den FC Sylt. Das Team Sylt, das sich 2002 gegründet hatte, verweigerte dem Koppelt-Team die „Heimspiele“. Später gab es einen Plan auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände in List ein Stadion zu bauen. Doch dies war zu diesem Zeitpunkt noch Zukunftsmusik. Also blieb Koppelt nichts anderes übrig, als die zukünftigen Spiele im fernen Fahrdorf auszutragen. Bei den dortigen Heimspielen kamen nicht viele Zuschauer. Auswärts wollten aber viele Fußballfans das Team sehen. Die Spiele ähnelten einem Spießrutenlauf, denn die Kicker wurden von den jeweiligen Heimfans lautstark beschimpft. Nicht, dass es die Leistung gemindert hätte, denn auch in der Verbandsliga marschierte die nun als SC Haddeby/FC Sylt agierende Truppe durch. Zu stark war die aus höherklassigen Spielern besetzt. Der Aufstieg wurde verwehrt – ein Formfehler, denn eine Spielgemeinschaft durfte nicht in die Schleswig-Holstein-Liga aufsteigen. So blieb nur die Option, den Hauptverein vom FC Sylt zu lösen und den Startplatz in der Verbandsliga an den FC Sylt abzugeben. Der FC Haddeby startete fortan wieder in der Kreisliga, während das Koppelt-Team in der Saison 2009/2010 direkt in der Verbandsliga antreten durfte.
Und der Aufstieg in die Schleswig-Holstein-Liga war nur noch Formsache, und im August startete der FC Sylt weit weg von der Heimatinsel in das Abenteuer SH-Liga. Noch ein Aufstieg, und das Ziel Regionalliga wäre erreicht gewesen. Doch der Anfang der Saison 2010/11 zeigte die Grenzen des Machbaren auf. Es war eben nicht mehr die Kreisliga. Traditionsvereine wie der VFR Neumünster spielten auf einem völlig anderen Niveau – auf Augenhöhe, mit eingespielten Teams.
Trotz eines Stürmers namens Dmitrijus Gušinas und gebürtiger Litauer, der mit dem VfB Stuttgart sogar Champions-League-Luft geschnuppert hatte, reichte
es am Ende der Saison „nur“ für einen dritten Platz.
Gušinas, mit 31 Treffern Torschützenkönig der SH-Liga, verließ den Verein nach der Spielzeit, und mit ihm ging scheinbar auch das Glück. Die nachfolgende Saison war für den FC Sylt der Anfang vom Ende. Ein enttäuschender neunter Platz mit 19 Punkten Rückstand und ein Volker Koppelt, der nun nicht mehr alles dafür gab, um den FC in die Regionalliga zu führen. Zum Eklat kam es dann in der nachfolgenden Spielzeit. Interner Streit, Trainerentlassungen, ein zerbrechendes Team. Das letzte Spiel in Eichede wurde mit 0:10 sang- und klanglos verloren. Spätestens hier endete der Traum. Der Verein meldete Insolvenz an, zog sich aus dem Spielbetrieb zurück und wurde abgemeldet.
Was blieb von der Vision, den großen Fußball auf die Insel zurückzuholen? Die Erkenntnis, dass alleine mit Geld nicht alles zu schaffen ist. Ohne einen gewachsenen Verein, wie es der TSV Westerland in den 1970er Jahren war, dürften derartige Versuche scheitern. Natürlich gab es als Blaupause die TSG Hoffenheim oder den RB Leipzig. Der Unterschied waren Millionen von Euro, die hier eingesetzt wurden. Die Leipziger sind bis heute nicht in der Fangemeinde angekommen. Bleibt die Schuldfrage: Was würde ein durchschnittlicher Vereinsvorstand machen, wenn ein Investor vor der Tür steht und mit Geldbündeln winkt?

Würde der Vorstand sagen: „Nein, wir wollen unseren Verein weiter klein halten!“ Das würde wohl niemand tun. Die Zeiten haben sich geändert. Seit 2012 ist viel Wasser die Elbe hinuntergelaufen. Kreisligaspieler in den Ballungsgebieten bekommen heute schon eine nette kleine monatliche Summe, und ab der Landesliga kann von Halbprofitum ausgegangen werden. Der Fußball ist ein Riesengeschäft geworden. Und Koppelts gab es viele in den Jahren. Einige sind gescheitert – andere haben es geschafft, ihren Dorfverein in die Viertklassigkeit zu führen.

Und die Sylter Vereine? Sie setzen lieber auf Jugendarbeit und ihre gesellschaftliche Verantwortung als auf Kommerz. Aber die größte Pointe kommt zum Schluss: Der kleine SC Norddörfer schafft in dieser Saison so ziemlich sicher den Aufstieg – mit einer Truppe, die aus Spaß am Spiel ganz oben steht. Am Ende der laufenden Saison stehen im Schnitt über 130 Zuschauer an den Banden am Norddörfer Platz. Der FC Sylt hatte zum Schluss einen Zuschauerdurchschnitt von 114 Fans.

Vielleicht kommt ja doch eines Tages der „große“ Fußball wieder auf die Insel. Bis dahin erfreuen wir uns an den kleinen Siegen und ärgern uns über verlorene Spiele. Am nächsten Wochenende stehen wir ja trotzdem wieder auf dem Platz und drücken die Daumen.


Geschrieben von: Alex Lenz / veröffentlicht am: 17.05.2025
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