Zwei Jahre Offene Ganztagsschule – Horst-Peter Feldt zieht positive Bilanz
Den Neubau hinkriegen – bis ins Jahr 2026?
Foto: Heiko Wiegand Schulleiter Horst-Peter Feldt (rechts) und der Leiter der OGS, Andreas Bollmann, auf dem Flur des Hort-Gebäudes, das durch einen Neubau ersetzt werden soll.Westerland. Seit mittlerweile knapp zweieinhalb Jahren gibt es in Westerland eine Offene Ganztagsschule (OGS), genau: seit dem 1. August 2021. Morgens werden die Kinder der St.-Nicolai-Schule in ihren Klassen oder im Sport unterrichtet und nach dem Mittagessen in der Mensa steht den Schülerinnen und Schülern ein breites Angebot an Aktivitäten zur Auswahl. So gibt es eine Hausaufgabenbetreuung für alle Klassen von 13.30 Uhr bis 14.30 Uhr. Aber manchmal ist einfach auch gemeinsames Spielen und Toben angesagt. Wie hat sich diese immer noch recht neue Schulform entwickelt? Welche Erfahrungen hat Schulleiter Horst-Peter Feldt mit dem Konzept Offene Ganztagsschule gemacht? Und welche Perspektiven sieht der gebürtige Sylter Pädagoge für die kommenden Jahre in pädagogischer wie auch in baulicher Hinsicht? Unser Redaktionsmitglied Heiko Wiegand ist mit ihm ins Gespräch gekommen.
Herr Feldt, die Offene Ganztagsschule ist ein deutlich erweitertes Angebot für Kinder mit zusätzlicher Betreuung nachmittags, das gebucht werden kann, aber nicht gebucht werden muss. Wie stehen Sie zu der Frage, ob Eltern sich an den Kosten beteiligen sollen?
Ich finde die Forderung nach einer kostenfreien OGS wichtig und richtig, weil es viele Menschen gibt, denen die Bezahlung schwer fällt. Deshalb unterstützen wir das auch. Und ab 2026 haben wir für ganz Deutschland einen Rechtsanspruch für die Offene Ganztagsschule. Aber es gibt auch einen anderen Aspekt: Was nichts kostet, ist nichts wert. Wir sehen das oft in der Ferienbetreuung. Viele Kinder werden für die Ferien angemeldet, sagen wir: 50. Dann kommen aber nur 35. Fünf oder sechs Mitarbeiter halte ich für die 50 angemeldeten Kinder vor. Die brauche ich aber plötzlich gar nicht mehr. Ich hätte sie auch in den Urlaub schicken können. Vor diesem Hintergrund haben wir auch schon überlegt: Soll das Ferienangebot jetzt etwas kosten, um eine höhere Verbindlichkeit zu erreichen? Vor diesem Hintergrund habe ich aktuell noch keine Lösung, wie wir es mit der Offenen Ganztagsschule machen sollen.
Was kostet denn die OGS aktuell für die Eltern?
Die Offene Ganztagsschule kostet 100 Euro im Monat für eine Betreuung bis 16.30 Uhr plus 45 Euro für das tägliche Mittagessen. Bis 14.30 Uhr liegt die Betreuungspauschale monatlich bei 75 Euro.
Was passiert mit den Eltern, die sich das nicht leisten können?
Manche Eltern kommen im Vertrauen auf uns zu und suchen das Gespräch. Die sagen dann schon, dass ihnen das finanziell ziemlich weh tut. Wir als Schule haben eine Art Sponsoring. Wir fragen dann, was von den 100 Euro bezahlt werden kann, ohne dass es den Familien weh tut. Manche kommen und sagen unter Tränen: vielleicht 5 Euro? Bei anderen können es auch 50 Euro sein. Und dann muss ich sehen, dass der Rest über das Sponsoring läuft.
Und die Kosten für das Essen?
Das kann man über die Bildungs- und Teilhabekarte abrechnen, wenn dafür ein Anspruch besteht. Das ist ja schon mal eine große Hilfe.
Wenn wir einmal auf die letzten knapp zweieinhalb Jahre zurückblicken – welche erste Bilanz können Sie nach dieser Zeit ziehen? Und wie haben die Sylter das neue Angebot angenommen?
Wir sind immer noch im Entwicklungsprozess. Aber die Idee ist sehr positiv aufgenommen worden. Normalerweise rechnet man zwei bis drei Jahre für den Aufbau einer OGS, wir haben es in einem Jahr hingekriegt. Und zum zweiten Teil Ihrer Frage: Der Bedarf ist auf jeden Fall groß. Meistens arbeiten beide Elternteile auf unserer touristisch geprägten Insel – auch in den Ferien. Deshalb ist der Bedarf gerade auf Sylt für eine ganztägige Betreuung wirklich groß.
Können Sie den Bedarf quantifizieren?
Ja, von aktuell mehr als 200 Schülerinnen und Schülern besuchen 141 Kinder die Offene Ganztagsschule. Aber das noch einmal in diesem Zusammenhang: Die OGS hat auch einen pädagogischen und einen sozialen Aspekt. Es geht längst nicht nur darum, dass die Kinder untergebracht werden. Es geht um Hausaufgabenbetreuung. Es geht um soziales Miteinander, um Angebote und Kurse mit Kooperationspartnern wie der Musikschule und dem TSV. Die Sylter Trachtentanzgruppe ist mit Angeboten dabei und es gibt einen Kinderchor zusammen mit der Kirche. Und der Kontakt und das Spielen mit Gleichaltrigen ist total wichtig. Das alles können wir in der Offenen Ganztagsschule anbieten.
Die Alternative wäre, dass die Kinder zuhause isoliert vor dem Computer sitzen…
Genau das wollen wir mit der OGS verhindern. Die OGS hat einen ganz wichtigen sozialen Ansatz.
Ist das Konzept in Ihrer Wahrnehmung nach zweieinhalb Jahren ein Erfolgskonzept?
Grundsätzlich ja. Gerade auch vor dem Hintergrund, welche Angebote wir für die Kinder machen können. Und vor dem Hintergrund, welche Arbeit von den Mitarbeitern geleistet wird. Da bin ich stolz drauf.
Zuletzt zum Thema Bauplanungen für die Offene Ganztagsschule. Wann kann es mit den Bauarbeiten losgehen?
Eine schwierige Frage. Nach dem gesperrten Haushalt waren Investitionen lange nicht möglich. Aber die Gemeinde stand und steht immer hinter der Schule. Und sie ist bereit, Geld auszugeben. Wir sind jetzt mit einem Planungsbüro wieder in der Planungsphase. Wir brauchen mehr Platz für die OGS, aber auch für Kinder mit schweren Beeinträchtigungen, die beispielsweise im Rollstuhl sitzen.
Da, wo sich aktuell das Hort-Gebäude befindet, soll später einmal die Offene Ganztagsschule stehen. Wenn Sie 2026 als das Jahr erwähnen, ab dem ein Rechtsanspruch auf den Besuch einer OGS besteht, ist das nicht für Sie ein Ziel, dass es bis dahin mit einem Neubau klappt?
Je früher, desto besser. Ich kann das ganz schwer einschätzen. Wir sind mit der Gemeinde im Austausch, mit KLM. Wir haben uns eine Beispielschule in Süderbrarup angeschaut mit eigenem Nachmittagsbereich, mit einer größeren Mensa. Das hat uns gut gefallen.
Hat die Schule am Nordkamp eine eigene OGS?
Ja, aber derzeit kommen die Kinder nach St. Nicolai, weil wir krankheitsbedingt im Nordkamp viele Ausfälle haben.
Letzte Frage: Welche Bitte haben Sie denn an die Politik der Gemeinde Sylt?
Mein Wunsch ist es, dass es weiterhin das Vertrauen gibt, das wir haben und dass es zügig durch die Gremien geht. Ich weiß, dass wir von viel Geld reden. Aber es ist auch eine gute Investition in die Zukunft. Und das zuletzt: Wir brauchen Ideen, wie wir mehr Personal für Sylt begeistern können.
Etwas zugespitzt gefragt: Könnten Sie denn sagen, ,wir wollen es mit dem Neubau bis 2026 hinkriegen, denn ab dann gilt der gesetzliche Anspruch?
Ja, genau. Dann wären zwei Jahre Zeit, um das Projekt umzusetzen. Das wäre schön. Das würde mich sehr freuen. Und es wäre eine zusätzliche Erleichterung für unsere Mitarbeitenden. Sie hätten einen attraktiveren Arbeitsplatz – das ist auch eine Werbung für künftige Mitarbeitende.
Geschrieben von: Heiko Wiegand / veröffentlicht am: 27.12.2023