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Die Manfred Degen Kolumne

Besuch „ … nur mal vorbeischauen“ #15/2025

Foto: Archiv

Immer wieder treiben Arglist, Habgier und Triebbefriedigung Menschen an, anderen auf die Bude zu rücken. Die nennen das dann ‚Besuch‘ oder „…mal vorbeischauen.“ Oftmals sind Opfer und Täter miteinander verwandt, was die Sache nicht leichter macht.

Ich persönlich habe meinem sozialen Umfeld den Wunsch, mich besuchen zu kommen, radikal abtrainiert, so wie man einem jungen Hund beibringt, nicht mehr in die Wohnung zu nässen. Mit Grausen erinnere ich mich noch an die Zeiten, zu denen ich Besuch empfangen habe.

Da hat man irgendwann im Sommer mit irgendwelchen Typen zusammen gestanden, sich dabei mit alkoholischen Getränken zugeschüttet und dann in einem Zustand, als Seele, Geist und Körper unterschiedliche Wege ein-
schlugen, was Einladungsähnliches abgesondert und nach den nächsten drei Bieren schon wieder alles vergessen.

Und dann – Wochen später, endlich mal ein Abend frei von Arbeit, man sitzt im Unterhemd und Jogginghose im Wohnzimmer, schneidet sich womöglich gerade die Fußnägel oder schreibt sich speichelsabbernd die Winterbestellung für Beate Uhse zusammen, da klingelt es an der Tür und Besuch ist da!

Groß Hallo und Trara, dir gelingt es gerade noch, die bunten Kataloge mit dem Fuß unters Sofa zu kicken und mit dem Ärmel die Fußnägel vom Esstisch zu wischen. Der Besuch wedelt mit einem jämmerlichen Strauß Blumen – anscheinend auf dem Friedhof geklaut – und fordert Getränke. Sehr ärgerlich, dann muss man seinen Bölkstoff mit denen teilen. Ein guter Gastgeber sollte auch warme Speisen anbieten, das war ja wohl schon in der Steinzeit so. Also schnell eine Buchstabensuppe warm gemacht – das gibt dann beim Löffeln immer viel Gesprächsstoff.
Wenn du das so oder ähnlich konsequent durchhältst – über Jahre, dann hast du irgendwann keine Last mehr mit
Besuch. Ich bin felsenfest der Meinung, dass die Unsitte, einander wechselseitig zu besuchen, sich vor Couchtisch sitzend die Eingeweide einzuklemmen und dem sinnleeren Wortschwall des Gastgebers ausgeliefert zu sein, zu Recht am Aussterben ist. Oftmals ist der Ort des Geschehens total überheizt, es stinkt nach Kohl-Eintopf, der Fernseher läuft nebenbei und der Hund furzt unterm Esstisch. Auch gibt es immer mehr Menschen mit abenteuerlichen Sexualpraktiken, die mit unangemeldetem Besuch nicht mehr so souverän umgehen können. Stell dir mal vor, du hast spät abends nichts mehr zu trinken und klingelst bei den triebhaften Nachbarn sehr schräg gegenüber und die verheddern sich vor Schreck mit den Handschellen oder der Haustürschlüssel rutscht in ihren Latex-Body. Bis der dann am offenen Schritt wieder rausflutscht, bist du schon längst weiter zur Tanke und hängst wenig später mit deinem Sixpack vor dem eigenen Fernseher ab. Das Schlimmste überhaupt ist natürlich Übernachtungbesuch, quasi die Aufhebung der Intimsphäre. Du liegst des nachts knallwach in deinem Bette, mit suppentellergroßen Augen und analysierst die fremden Geräusche in deiner Wohnung: War das nun die Kühlschrank- oder die Klotür? Weshalb lachen die denn da? Stöhnt da nicht jemand ganz doll? Kommt der gerade oder geht der schon…?

Nicht versäumen sollte man bei einer Badezimmeraufsuchung das Durchstöbern des Aliberts. Sind da Antidepressiva in größeren Mengen gelagert? Oder eine Schachtel Schwangerschaftstest? Oder Kondome mit Noppen und Erdbeergeschmack? Klosterfrau Melissengeist weist bekanntlich auf eine versteckte Alkoholabhängigkeit der Dame des Hauses hin. Glaubt mir: So ein Blick in den fremden Alibert ist deutlich aufschlussreicher als das Wortgeklingel des Gastgebers. Einmal bewirtete ich Besuch mit Kaffee und Kuchen. Der Wunsch nach Kondens-
milch wurde vorgetragen. Ach herrje, sowas brauche ich nie nicht. Trotzdem, schnell zum Kühlschrank, mal rein-
gucken, ob da nicht noch so ein Kondenz-Fossil vergangener Epochen herumlungerte. Tatsächlich – in der Kühlschranktür – so ein Unikat – noch mit D-Mark ausgezeichnet. Der Deckel war leicht gewölbt. Da war schon Druck drauf – sicher ein gutes Zeichen.

Nun, ich fass‘ das mal so zusammen:
Als mein Gast das Gebinde dann öffnete, war der angenehme Teil der Kaffeerunde beendet…


Geschrieben von: Manfred Degen / veröffentlicht am: 26.06.2025
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