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Die Manfred Degen Kolumne

Auf Bühnen #04/2025

Foto: Archiv

Mein Lieblingsbesucher, wenn ich auf der Bühne stehe, ist der karnevalstrainierte Ka-tholik aus dem Rheinland. Der sitzt einfach da, Beine breit, die Arme auf der Lehne und er will nur Spaß haben, wenn ich vor ihm stehe, lustig grimassiere, während mir mein Programm aus dem Gesicht fällt. Wenn er Zielgruppe meiner Pointen ist, lacht er am lautesten und meint es auch ehrlich. Am Schluss kauft er ’n paar Bücher und sichert so mein Überleben.

Das Gegenteil ist der norddeutsche pro-testantische Lehrer für Gemeinschaftskun-de, Deutsch und Geschichte. Er trägt Bart, getönte Brille, Cordhose und Magenge-schwür. Er hat die Arme von der Brust ver-schränkt, scheut den Blickkontakt mit mir und schaut empört, wenn jemand lacht. Da-gegen ist jeder Autist ein Karnevalsprinz. Er geht dann schon in der Pause schnuttig nach Hause und schaut sich auf ARTE den Quotenhit „Elfriede Jelinek im Gespräch mit Herta Müller“ an.

Einmal wurde ein 89jähriger Opa von sei-ner Tochter mitgeschleppt. Der bemühte sich 15 Minuten lang, sein Hörgerät auf Empfang zu schalten. Außer einem jau-lenden Gepiepe im Obertonbereich gelang ihm nichts. Daraufhin begann seine Toch-ter, mein Programm für ihn simultan ins Schwerhörige zu übersetzen. SO KONN-TE MEIN PUBLIKUM DAS PROGRAMM ZWEIMAL HÖREN!
Mitgeschleppte Kinder in der Pubertät ver-weigern sich meinem Tun erst einmal total.

Sie haben ihren kleinen Geist abgeschal-tet, die Augen sind glanzlos – sie dämmern schmollend auf Stand-by – Rotzlöffel, die man zur Adoption freigeben sollte. Sehe ich so etwas, gehe ich kurz auf Mario-Barth-Niveau runter, zwei, drei saftige Gags für ihr Reptilienhirn und den Gören leuchten die Augen.

Ich selbst muss vor der Show natürlich cool bleiben. Was nützt es denn, wenn ich vor lauter Aufregung schnappatme oder mich vor Lampenfieber einnässe oder nachher stottere. Da bleibe ich lieber cool, schneide mir in der Garderobe die Fußnägel, probie-re einen neuen Mittel- oder Seitenscheitel aus und schaue bei eBay nach, ob jemand für mein Auto passende Breitreifen anbie-tet. Erst wenn so gegen viertel nach acht das Volk da draußen mit den Füßen tram-pelt und rhythmisch klatscht und der Ton-techniker mich anfleht, nun endlich zu „per-formen…“, gehe ich raus und mach’ sie alle fertig!
Einmal, in Kampen, hatte ich einen Gast – so Typ Tanzlehrer oder Robert-Geiss -Double – mit geföhnter Dauerwelle, Goldbrille und voll die Düsseldorfer Bräune, diesem Farb-ton zwischen Sonnenbank und Leberscha-den. Dazu strahlend weiße Zähne, so total Klopp-mäßig. Seiner Ehefrau, rechts neben ihm, war nach dem letzten Lifting anschei-nend jegliche Emotionalität abhandenge-kommen, sie kriegte augenscheinlich beim Schlafen die Augen nicht mehr zu. Und nach der letzten Botox-Behandlung hat-te sie Schlauchbootlippen, elendiglich wie schlecht verheilte Schusswunden.
Ihm also klingelte sein Handy (Klingelton: Viva Colonia, von den Höner) mitten rein in meine schönste – vielleicht sogar einzige Pointe. Daraufhin rief ich ihm von der Büh-ne aus ärgerlich zu, ‚das sei jetzt ja wohl sein Bewährungshelfer, der wissen wolle, wo er denn das Geld für einen Sylt-Urlaub her hätte‘. Meckerndes Gelächter. Doch da erwiderte die Dauerwelle keck, ‚das könne gar nicht sein, da der ja seine neue Handy-nummer gar nicht kennen würde‘.

Schwer war mal ein Auftritt beim Kongress des deutschen Bestatter-Gewerbes. Die Jungs sitzen das ganze Jahr in ihren Bü-ros, blättern traurig in Marmor- oder Granit-Katalogen, putzen Urnen oder polieren Sargdeckel. Im Hintergrund läuft das Largo von Händel und zieht die Stimmung in dem Laden so richtig auf Null runter. Kommt dann doch mal ein Kunde rein, lässt man die Schultern und die Mundwinkel noch weiter durchhängen, Anteilnahme trifft auf Augennässe und dann werden Lebensver-sicherungen in Erdmöbel umgerubelt. Ich sage dir, wenn du am Gala-Abend dann vor ihnen stehst und auf die Tränensäcke schaust, die du auf lustig bürsten sollst, dann hast du schon verloren…


Geschrieben von: Manfred Degen / veröffentlicht am: 28.03.2025
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