Die Manfred Degen Kolumne
Hotelfrühstück #27/2025

Wodurch unterscheidet sich ein gutes Hotel von der eigenen Wohnhöhle? Du kennst deine Nachbarn nicht, aber die Geräusche, die sie beim Sex machen. Du bist froh, dass du nicht weißt, wer (mit wem) in deinem Bett geschlafen hat. Du musst beim Einschalten des Fernsehgerätes darauf achten, dass du nicht auf die fleischfarbenen Bezahlkanäle kommst. Im Badezimmer wirst du aufgefordert, die Handtücher auf den Boden zu werfen oder sie weiter zu benutzen, um so die Welt zu retten. Die Früchte auf dem Obstteller sind weich wie Porzellan, die Flasche Premium-Mineralwasser kostet neun Euro fünfzig und die Matratze ist hart wie eine Guantanamo-Pritsche.
Und wenn du dich fein gemacht hast und mit dem Fahrstuhl zur Gala in den großen Saal fährst, musst du hinnehmen, dass Gäste mit Bademantel, Adiletten und gelben Fußnägeln mit dir fahren, weil sie den Abend im Wellness- und Beauty-Resort verbringen wollen.
Um drei Uhr nachts wachst du mit Kopfschmerzen auf, weil das siebte Bier wohl schlecht war. Du hast kein Aspirin dabei, rufst den Nachtportier an und sagst ihm, dass du ein Problem hast. Daraufhin nennt er dir die Nummer vom Callgirl-Service. Du sagst ihm, dass bei dir quasi das andere Ende, der Kopf, angeschwollen sei. Er meint enttäuscht: „ach so…“, und schickt dir drei Aspirin aufs Zimmer.
Am nächsten Morgen geht es nachterschöpft zum Frühstück. Das Frühstücksbuffet in einem deutschen Hotel gehört zu den großen Mysterien dieser Welt. Die Brötchen stammen nicht vom Bäcker. Es handelt sich vielmehr um Tiefkühlbacklinge, die von Leichtlohnkräften schockerhitzt wurden. Sie beenden ihr kurzes Leben als glitschiger Mehlklumpen in deinem Schlunde. Die Butter ist von marmorner Konsistenz, die Eier sind so hart, dass der Löffel daran zerbirst. Der Schinken am Rührei ist papierdünn und von kristalliner Struktur. Du piekst mit der Gabel rein und der Schweinestreifen zerspringt wie ein Porzellanteller auf Granit.
In allen Hotels dieser Welt gibt es Obstplatten mit je einem Drittel Ananas, Wasser- und Honigmelonen, fein drapiert. Ständig jedoch ist die Ananas abgegriffen, und der Melonenkram dörrt vor sich hin. Die Innovationskraft von Hotel-Frühstücksbuffet-Designern ist ungefähr so groß wie das Demokratieverständnis der nordkoreanischen Staats- und Parteiführung.
Einmal – beim Einchecken – bat ich – meine ganze Hotelerfahrung ausspielend – um ein ruhig gelegenes Zimmer – vielleicht nach hinten raus. Kein Problem, die 211. Gut, von der Straße hörte ich nichts, aber um halb zwei Uhr nachts entsorgte der Service die leergetrunkenen Flaschen in die Container, die unter meinem Fenster standen. Es war die Hölle. Um sechs Uhr dreißig dann wurde der Flur gesaugt. Sauber.
Unausgeschlafen und derangiert ging ich zum Frühstück. Ich stellte mir alles zusammen, was das Buffet so hergab und ging dann, meine Wut war verraucht, noch schnell zur Rezeption, um mir eine Tageszeitung zu besorgen. Ich kam zurück und meine ganze leckere Pracht war abgeräumt. Ich reklamierte empört und die Servicekraft stotterte rotohrig:
„Ach herrje, ich dachte, Sie seien schon gegangen…“
Oft wird man beim Platznehmen im Frühstücksrestaurant gefragt, welches Zimmer man denn gemietet habe.
Manche nennen dann eine fremde Zimmernummer, gehen nach dem Frühstück ein paar Runden schwimmen und frühstücken dann – mit der richtigen Zimmernummer – ein zweites Mal.
Und am Eingang steht dann oft ein anderer Gast mit einem wutroten Kopf und debattiert mit dem Personal, das ihm unterstellt, er hätte doch bereits gefrühstückt. Ich sage hier – mit Nachdruck – sowas tut man nicht!
Geschrieben von: Manfred Degen / veröffentlicht am: 02.10.2025