- Werbeanzeige -

Die Manfred Degen Kolumne

Möwenalarm #21/2025

Foto: Archiv

Was den Niebüllern ihre Krähen sind, das sind dem Sylter seine Möwen: gefiederte Plagegeister, übellaunige Flugkreaturen, Milbenträger zudem. Manchmal könnt’ man sie an die Wand klatschen!
Das Problem muss Außenstehenden erläutert werden. Man stelle sich vor, da flaniert ein Gast über unsere weitläufige Hochglanz-Promenade, lässt sich die Sinne von Operettenmelodien vordudeln, die aus der Kurmuschel an seine Ohren dringen, und schlappert derweil an einem Premium-Eis, einer mediterranen Kreation aus Stracciatella, Amaretto und Zabaglione. Da kommt voll arger List von hinten so eine Möwe angeschwalbt, kreist eine Weile bedrohlich über ihrem Objekt, landet kurz entschlossen auf dem Kopf des Genießers und – zack – ist die kühle Delikatesse in ihrem gierigen Schlund verschwunden. Begründung vonseiten des Tieres: Es sei schließlich ein Mövenpick-Eis gewesen!

Eine Unverfrorenheit! Das geht ja nun gar nicht. Nun sollten wir bei aller Wut und allem Hass ein wenig Verständnis für die Möwe an sich aufbringen. Sie ist ja nicht aus Langeweile oder aus Daffke in die Küstenstädte eingefallen, sondern weil sie hier schon seit einer Million Jahren zu Hause ist. Da hat der Schöpfer noch gar nicht an uns Menschen gedacht.

Wie wir wissen, ist das Möwentier gerne auf Müllhalden zu Hause. Denkbar wäre es, dass der Vogel die Siedlung Westerland mit einer Müllhalde verwechselt – eine Einschätzung, die man teilen kann, aber nicht muss.

Auch falsch ist die Behauptung, von Möwenschiss getroffen zu werden, bringe Glück. Das Aufprallgeräusch des cremigen Exkrements ist so, als ob ein Eimer Wandfarbe von der Trittleiter kippt und der Inhalt sich über dich ergießt.

Erschwerend kommt hinzu, dass permanenter Mundraub und gelegentlicher Beschiss noch ergänzt werden durch eine Lärmbelästigung, die nicht einmal im Musikantenstadl erreicht wird. Warum zwitschern die Biester eigentlich nicht? Jede Amsel, jede Lerche, und die Drosseln sowieso, sie treiben einem die Glückstränen in die Augen, wenn sie uns des Morgens aus dem göttlichen Schlaf tirilieren. Doch diese elenden Albatrosattrappen schreien, tönen und krächzen durcheinander wie ungeübte Blechbläser beim Musikfestival „Zwölfton meets Free Jazz“.

Doch es gibt Grund zur Hoffnung, eine Lösung scheint in Sicht. Wie ich höre, arbeitet der Leistungskurs Biologie des Sylter Gymnasiums im Rahmen des Wettbewerbs „Jugend forscht so vor sich hin“ daran, der gemeinen Möwe ein Nachtigallen-Gen einzupflanzen. Das erklärte Ziel der Nachwuchswissenschaftler: Die Möwe soll endlich singen.

Nutznießer werden wieder einmal wir Sylter und unsere Kurgäste sein, die sich auf Sinnesräusche sondergleichen freuen dürfen. Glücksgefühle bis hin zum Gotteserahnen erwarten uns beim morgendlichen Sängerwettstreit von Spatzen, Finken, Haubentauchern und Zehntausenden von Möwinnen und Möwen.
Kleiner Nebenaspekt der tonalen Umwälzung: Die Weltliteratur wäre ein Stück weit nachzukorrigieren, präziser: die
Liebesszene aus Romeo und Julia. Hier muss es nun heißen: „Du willst schon fort?
Es ist noch längst nicht Tag: Es war die Heringsmöwe und nicht die Lerche.“
Wie tröstlich, dass William Shakespeare das erspart geblieben ist.


Geschrieben von: Manfred Degen / veröffentlicht am: 20.08.2025
- Werbeanzeige -

Meistgeklickte Artikel

- Werbeanzeige -
  • Jobbörse Sylt
  • Insel Sylt Tourismus-Service GmbH
  • v. Stern’sche Druckerei
  • Sylt Marketing
Alle Rechte bei Sylter Spiegel © 2025